Schnitzwerk erzählt von Lieb und Leid

Ein alter Zimmermeister besaß eine schöne junge Tochter, die er aber durchaus nicht seinem Gesellen zur Frau geben wollte, obwohl das Mädchen und der Geselle sich recht lieb hatten. Der Geselle war tüchtig und der Schreiner wusste das, doch seit dem Tode seiner Frau war er mittlerweile älter und eigennütziger geworden und mochte sich nicht von seiner Tochter trennen. Auch redeten böse Verwandte ihm ein, er möge seine hübsche Tochter doch nicht dem jungen Habenichts geben.

Damit die jungen Leute von dem Gedanken ihrer Heirat abließen, musste der Geselle das Haus seines Meisters verlassen. Da stand er nun und hätte wohl von seiner Braut Abschied nehmen müssen, wenn nicht zwei vornehme Ratsherren Mitleid mit dem Jungen gehabt hätten. Sie hatten von der traurigen Geschichte erzählen hören und waren nun bereit, dem Gesellen den Auftrag zu geben, die Vorderfront ihres Hauses mit Schnitzwerk zu versehen.

Mit Freuden war der Geselle dazu bereit, blieb er doch so in der Nähe seiner Braut. Aber die Ratsherren halfen ihm noch weiter; sie wollten die jungen Leute vereint sehen. Sie wandten sich an die beiden Kapläne der Stadt und bewogen sie – mit der Verpflichtung zu schweigen -, die jungen Leute heimlich zu trauen, um so den Starrsinn des alten Zimmerers und den Hochmut seiner Verwandten zu brechen. Als das neu vermählte Paar vor den Vater trat, konnte dieser nichts anderes tun, als nachträglich dem Ganzen zuzustimmen. Er grollte zwar noch lange, doch als nach einem Jahr der erste Enkel in der Wiege schrie, war er versöhnt.

Diese Geschichte hat der Geselle in folgenden Bildern dargestellt: Im Hauptfries in der Mitte sich selbst mit seiner Frau, zu beiden Seiten die Verwandten mit abgewandten Gesichtern. Es folgen die beiden Kapläne mit einem Schloss im Mund als Zeichen ihres Schweigens. An den äußeren Enden die Ratsherren. Unter diesem großen Fries befindet sich links noch ein kleinerer Fries mit der Wiege, in der das Kindchen ruht; rechts ein kleiner Fries an der Hängestube zeigt den Vater, dem ein breites Mondgesicht die Zunge heraus streckt.

Quelle: Richard Borde, Die Geschichte des Schnitzwerks am Windeckhaus, Manuskript von ca. 1952/53; Joseph Matthias Ohlert, Bad Münstereifel; Sophie Lange: Im Dunkel der Nacht 2001, Seite 64 und 66; www.sophie-lange.de