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Ein Hirte sengt das Fell der Schirrawa an

  Sassleben

Auf der Sasslebener Haide, so erzählt man, sollen noch zu Anfang dieses Jahrhunderts der Schirrmann und die Schirrawa ihr Wesen getrieben haben; das aber sind eine Art wilder Menschen gewesen. Sie waren stark behaart, so dass ihre Haut gleichsam ein Fell wie das eines Hundes war. Es waren ihrer zwei, der eine war der Mann, der andere wilde Mensch aber die Frau. Die Sasslebener waren gewohnt, ihre Pferde auf der Haide zu hüten. Wenn nun die Hütejungen ein Feuer angezündet hatten, dann kam einer von den Schirrmanns und zwar das Weibchen und legte sich an das Feuer, um sich zu wärmen.

Einstmals hütete ein kecker Junge dort auch seine Pferde; er sprach zu den übrigen Hütejungen: „Macht, dass Ihr heute zeitig fortkommt, ich werde der Schirrawa das Fell anzünden.“ Die andern Hütejungen eilten bald nach Hause. Richtig, die Schirrawa kam wieder zu den Feuerstellen hin und wärmte sich. Da nahm der betreffende Junge einen Feuerbrand und zündete damit der Schirrawa das Fell an. Die Schirrawa fing an, fürchterlich zu schreien, so dass sich der Junge eilig auf sein Pferd setzte und davon sprengte: Aber schon war der Schirrmann auf den Hilferuf der Schirrawa herbeigeeilt und verfolgte den Reiter. Der Junge hatte sein Gehöft noch nicht erreicht, als sein Pferd fürchterlich aufschrie: der Schirrmann hatte nämlich in dem Augenblick das Pferd erfasst und ihm das Hintertheil ganz zerrissen. Jetzt aber war das Thor erreicht. Eilig sprang der Junge vom Pferde und schlug flugs die Hofthür zu. Da war er gerettet.

Seit der Zeit sind die Schirrmanns für immer aus der Gegend verschwunden.

Quelle: Edmund Veckenstedt: Wendische Sagen, Märchen und abergläubische Gebräuche. Leuschner & Lubensky, Graz 1880