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Eine Leiter zur Rettung

  Branitz

Die Schildbürger gingen einst in die Haide, um Vögel zu fangen. Da flog aus einem Loche ein Vogel heraus; ein Schildbürger steckte die Hand hinein, um zu sehen, ob noch mehr Vögel darin seien. Als er in dem Loche nach den Vögeln herumfühlen wollte, musste er die Hand öffnen; da er nun die Finger nicht wieder zusammen hielt, so konnte er die Hand aus dem Loche nicht herausziehen. Nun war grosse Noth unter den Schildbürgern, welche unter dem Baume standen und auf die Vögel warteten, die der Mann aus dem Loche herausnehmen sollte. Endlich kam man auf den Einfall, man wolle eine Leiter holen, dieselbe in das Loch stecken, dann könne die Hand daran empor klettern.

Als sie nun aber mit der Leiter zur Haide kamen, trugen sie dieselbe in der Quere, so dass sie nicht vorwärts konnten. Somit blieb ihnen nichts übrig, als dass sie das Hinderniss beseitigten, also die Bäume fällten, um vorwärts zu kommen. Das thaten sie denn auch, gebrauchten aber sieben Jahre dazu, bevor sie zu dem Mann kamen, dessen Hand in dem Loch steckte. Dieser war aber längst gestorben und verfault, als sie endlich mit der Leiter glücklich ankamen.

Quelle: Edmund Veckenstedt: Wendische Sagen, Märchen und abergläubische Gebräuche. Leuschner & Lubensky, Graz 1880