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Der Schatz im Fasanengarten

  Hoyerswerda

Im Fasanengarten bei Hoyerswerda soll ein grosser Schatz vergraben sein. Davon hatten auch mehrere Bauern gehört. Sie beschlossen, denselben zu heben. Die Bauern standen in dem Rufe, geheimer Dinge kundig zu sein. Sie hatten auch wirklich in ihren Zauberbüchern einen Spruch gefunden, vermittelst dessen sie den Schatz heben konnten. Eines Tages begaben sie sich an Ort und Stelle. Einer von den Bauern begann den Spruch herzusagen; er hatte denselben aber nicht genau inne. Als er ihn so halb falsch hersagte, kam eine grosse Schaar von Hirschen, Wölfen und anderen Thieren herbei, welche auf die Bauern eindrangen. Diese, vor Schreck wie gelähmt, konnten sich nicht von der Stelle rühren. Darauf öffnete sich die Erde und ein grosser Strom Wasser quoll daraus hervor. Das Wasser stieg so hoch, dass es den Bauern schon die Brust netzte. Da fiel dem Bauer, welcher das Unheil angerichtet hatte, glücklicher Weise etwas Gutes ein. Er sagte den Spruch flugs rückwärts her. Sogleich sank das Wasser, die Thiere zogen sich zurück, nur in der Ferne hörte man noch ein Geheul und Gebrüll, wie von wilden Thieren. Als der Bauer den Spruch beendet hatte, war alles unheimliche Wesen verschwunden.

Nun eilten die Bauern entsetzt nach Hause. Einige von ihnen kamen schon auf dem Wege um, die anderen starben in ihrer Wohnung. Nur ein Bauer blieb am Leben. Dieser Bauer besass nämlich eine ganze Bibliothek von Zauberbüchern; er muss also verstanden haben, den Schreck zu überwinden. Allein auch diesem Bauer ist es später noch schlecht ergangen. Als er nämlich alt geworden war, wünschte er zu sterben, sein Wunsch ging aber nicht in Erfüllung. Endlich erschien ihm der Teufel und sagte, er wolle ihm helfen, wenn er ihm seine Seele verschriebe. Das that der Bauer. Darauf rieth ihm der Teufel, er solle seine Zauberbücher verbrennen. Der Bauer folgte dem Rath des Teufels. Als das letzte Buch im Feuer aufgelodert und zu Asche geworden war, war auch das Leben des Bauers erloschen.

Quelle: Edmund Veckenstedt: Wendische Sagen, Märchen und abergläubische Gebräuche. Leuschner & Lubensky, Graz 1880