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Faust kommt plötzlich von Prag nach Erfurt zu einem Abendessen

  G. R. Widmann D. Joh. Faustus I, 39.
  Hogel's Chronik S. 1056.

In der Schlossergasse zu Erfurt ist ein Haus, zum Enker genannt. Darin hat damals ein Stadtjunker gewohnt, bei welchem sich D. Faust die ganze Zeit über, so er in Erfurt gewesen, am meisten aufhielt. Nun trug es sich zu, dass dieser Junker auf eine Zeit, als Faust in Prag war, viel guter Freunde zum Abendessen zu sich berief. Da waren sie nun bei der Mahlzeit lustig und fröhlich, der Junker aber wünschte, dass Faust auch gegenwärtig wäre, sie würden dann noch fröhlicheren Muthes sein. Einer unter ihnen nahm ein Glas, streckt das mit der Hand in die Höhe und sprach: „ o guter Freund Faust, wo steckst du heint, dass wir dein müssen entbehren? Wärest du da, wir wollten unsere Fröhlichkeit anders zubringen; weil es aber nicht kann sein, so will ich dir dennoch eins gebracht haben, kann es aber geschehen, so komm zu uns und säume dich nicht.“ Darauf hat er einen Jauchzer gethan. Indem klopft Jemand an der Hausthür stark und ein Knecht läuft an das Fenster zu schauen, wer da wäre. Da stieg D. Faust von seinem Pferd ab, hatte sein Ross beim Zügel und gab sich zu erkennen, dass er der wäre, den man gerufen hätte. Der Knecht zeigt dem Junker an, Faust stehe vor der Thür, set von dem Pferd abgestiegen und begehre Einlass. Der Junker spricht: „was sagst du? Bist du toll oder närrisch? Ich weiss wohl, wo Faust ist und er kann nicht unten an der Thür stehen.“ Es klopft nochmals; der Junker geht nun selber zum Fenster, schaut hinaus und wird Faust gewahr. Sogleich ward die Thür geöffnet und Faust von allen wohl empfangen; des Junkers Sohn nahm das Pferd, führt's in den Stall und gab ihm Futter, Faust aber setzt sich zu Tisch. Als man ihn nun fragt, wie er so bald wieder käme, antwortet er: „da ist mein Pferd gut zu; weil mich die Herrn Gäste so sehr wünschen und begehren und mich gerufen, habe ich ihnen willfahren und bei ihnen erscheinen wollen, wiewohl ich nicht zu lange bleiben darf, sondern noch vor Tage zu Prag sein muss.“ Also fingen sie wieder ihre fröhliche Mahlzeit an, Faust aber trieb allerlei Possen und fragte sie auch, ob sie nicht einen fremden Wein versuchen wollten, es sei gleich, ob es Reinfall, Malvasier, spanischer oder Franzwein sein solle. Und da sie lachend antworteten: sie sind alle gut“, fordert Faust einen Bohrer, macht damit in das Tischblatt vier Löcher, stopft sie mit Pfröpflein wieder zu, nimmt frische Gläser, zapft aus dem Tische die genannten Weine hinein und trinkt mit der Gesellschaft lustig fort.

Indessen kommt der Sohn des Junkers in die Stube und spricht: „Herr Doctor, wie soll ich das verstehen? Euer Pferd frisst ganz unersättlich; es hat schon etliche Scheffel Haber verschluckt, steht aber und siehet stets, wo dessen mehr sei; nun will ich aber noch einmal hingehn und ihm von neuem Futter geben, dass es satt habe und sollt ich auch etliche Malter Haber anwenden.“ „ Lasst das bleiben, “ spricht Faust, „es hat genug bekommen, es frässe euch alles Futter vom Boden, ehe es vell würde.“ Es war aber dieses Pferd sein Geist Mephistopheles.

Mit diesen und andern furzweiligen Possen brachten sie den Abend hin bis Mitternacht. Da that das Pferd einen hellen Schrei, dass man es durch das ganze Haus hörte. „ Ich muss fort,“ sagte Faust„,ich bin citirt,“ und wollte gute Nacht geben, aber sie hielten ihn auf. Faust knüpft einen Knoten an seinen Gürtel und sagt ihnen noch ein Stündlein zu, als aber das Pferd zum zweiten Mal anfing zu schreien, da wollt er wieder fort, liessz sich jedoch von der Gesellschaft abermals bewegen und blieb noch eine Stunde, beim dritten Schrei aber, den der Gaul that, liess er sich nicht weiter aufhalten, nahm seinen Abschied und die Gäste gaben ihm das Geleit bis zur Hausthür, liessen ihm sein Pferd vorführen und Faust sette sich darauf. Wie er nun die Schlossergasse hinauf reitet schwingt sich das Pferd mit ihm in die Luft, so dass seine Freunde ihn bald nicht mehr sehen konnten. So kam Faust noch vor Tagesanbruch gen Prag.

Quellen: