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Historie und Geschichte von Herzog Heinrich dem Löwen

Man sagt von starken Helden,
Sie sein zu preisen hoch;
Darum so muß ich melden
Von einem Herren auch,
Er ist von edlem Stamme
Und ist ja lobenswerth,
Von wegen großer Thaten
Führt er billig das Schwerdt.

Preis wollte er erlangen,
Zog weit in fremde Land,
Abentheuer anzufangen,
Das kam ihm auch zur Hand,
Wagte sein Leib und Leben,
Wie ihr jetzt hören werd't,
Wie man findet beschrieben;
Er war von ed'ler Art.

Er nahm mit Ritter und Grafen,
Der hochgebor'ne Fürst,
Es waren seine Unterthanen,
Nach Preis der Ehr sie dürst't.
Sie kamen an ein Wasser,
Die Pferde ließen sie stehn,
Und säumten sich nicht lange,
Zu Schiff sie thäten geh'n.

Der Schiffer sich fertig machte
Und fuhr sehr schnell davon,
Sie fuhren Tag und Nachte,
Kein Land sie trafen an.
Es brachen ihre Segeln,
Sie kamen da in Noth,
Groß Kummer stieß ihn'n entgegen,
Jeder wünschet sich den Tod.

Sie lagen da sehr lange,
Die Speise nahm ein End',
Dem Herzog ward sehr bange,
Er hub auf seine Händ';
»Ach Gott! laß dich erbarmen,
Wir leiden große Noth,
Ach! komm zu Hülf' uns Armen,
Es mangelt an Speis und Brod.«

Einer klagt dem andern den Kummer,
Als auch dies groß Elend,
Sie waren matt von Hunger
Und wunden ihre Händ'.
Der Herzog sprach zu den Seinen:
»Wir stehen alle bloß,
Es hilft ja hier kein Weinen,
Jeder mache sich ein Loos.«

Die Loose wurden gemachet,
Wie man nun hören thut,
Ein jeder darnach trachtet,
Man legt sie in einen Hut
Und ward gänzlich beschlossen,
Wer zum ersten 'raus käm',
Soll sein Leben unverdrossen
Geben den andern anheim.

Das Loos fiele zum ersten
Auf einen kühnen Held.
Er sprach gar bald von Herzen:
»Macht's, wie es euch gefällt.
Meinen Leib will ich euch geben
Dahin zu eurer Speis',
Nehmt mir nun bald das Leben,
Theilt unter euch mein Fleisch.

Ihr mögt mich braten oder sieden,
Ich geb's euch herzlich gern,
Gott wolle nur behüten
Unsern frommen Landesherrn.
Es geh' gleich über uns alle,
Wir sein klein oder groß;
Ach Gott! daß ja nicht falle
Auf unsern Herrn das Loos.«

Der Held wurde geschlachtet,
Wie man das lieset noch,
Speise davon gemachet,
Hunger war der beste Koch.
In Stücken ihn zerhieben
Die Mitgesellen sein,
Der Hunger sie antriebe,
Jeder mußt sich stellen ein.

Auf wen das Loos gefallen,
Thät sich herstellen gern',
Gott gab das Glück für allen,
Er schont immer den Herrn.
Er stund mit einem Knechte,
Der war, nächst Gott, sein Trost,
Groß waren sie in Nöthen,
Der Herr ward nicht erlos't.

Der Hunger hielt nicht stille,
Er war bei ihnen groß.
Der Herr sprach: »es ist mein Wille,
Wir beide werfen das Loos;
Auf wen es dann thut fallen,
Der soll den andern verzehr'n.«
Der Knecht rief laut mit Schallen,
»Solch's thu' ich nicht mein'm Herrn.«

Sie thaten beide loosen,
Der Knecht sah das ungern,
Das Loos fiel auf den großen,
Edlen, liebwerthen Herrn.
Der Knecht sollte ihn tödten,
Befahl der hochwerthe Mann;
Hoch waren sie in Nöthen,
Der Knecht wollt' nicht daran.

Der Knecht sagte mit Treuen:
»Herr, es ist alles verlor'n,
Ich müßt' mein Leben bereuen,
Ihr seid ja hochgeborn.
Von Leder will ich euch machen
Gar bald ein'n neuen Sack,
Ihr mögt des Glück's erwarten,
Ihr seid noch jung und stark.«

Der Knecht nahm in der Güte
Den treuen Helden werth,
Näht ihn in Ochsenhäute
Und legt zu ihm sein Schwerdt:
»Ach Gott, thu dich erbarmen,
Wie steck' ich in der Noth!
Mein'n Herrn hab' ich jetzt begraben
Und er ist noch nicht todt.«

Gar bald kam da geflogen
Der Vogel Greif sehr groß,
(Ist wahr und nicht erlogen),
Und auf den Herrn zuschoß,
Faßt ihn mit seinen Klauen,
Trug ihn bald in sein Nest,
Der Herr thät sich erfreuen,
Sprach: »Gott, thu bei mir das Best'!«

Der Greif flohe von hinnen,
Mehr Speise er begehrt',
Der Herr thät sich besinnen,
Ergriff sein scharfes Schwerdt.
Er dankte Gott dem Herren
Und schnitt sich aus der Haut,
Er sah sich um vor Freuden
Und faßt' einen guten Muth.

Die jungen Greifen schrien,
Begehrten bald den Herrn,
Ich sag's aus wahrer Treue,
Er thät sich ihrer wehr'n.
Er rief an Gott den Herren,
Der half ihm aus der Noth,
Thät sich der Vögel erwehren
Und schlug sie alle todt.

Er stieg gar bald herunter,
Schnell aus dem großen Nest.
Es nahm den Herren Wunder
Der ungeheuren Gäst!
Man kann noch jetzt anschauen
Zu Braunschweig in dem Thum (Dom),
Da hängt die Greifenklauen,
Die er mitgebracht zum Ruhm.

Der Herr thät sich von weiten
Im Wald ziemlich umschau'n,
Da sah' er grimmig streiten
Einen Lindwurm mit einem Leu'n.
Er sprach: »ich will es wagen
Und sollt' ich bleiben todt;«
Thät auf den Lindwurm schlagen,
Sprach: »nun hat's wohl keine Noth,

Ich hab' oft hören sagen,
Der Löw' sei ein treues Thier,
Drum will ich's mit ihm wagen
Gegen den Lindwurm hier.
Ich hoff mir soll's gelingen,
Der Lindwurm soll bleiben todt;
Dem Löwen will ich beispringen,
Ihm helfen aus der Noth.«

Sie thäten da fast ringen,
Jeder sein Stärk' bewährt,
Der Herr thät dazu springen
Mit seinem blanken Schwerdt.
Der Löw' ward dies bald innen,
Vor'm Lindwurm er stets weicht,
Der Herr aus kühnen Sinnen
Bald auf den Lindwurm streicht.

Der Lindwurm sperrt auf den Rachen
Gegen den hochwerthen Mann;
Der Herr fing an zu lachen,
Er sprach den Löwen an,
Der Leu mit frohem Muthe
Schnell auf den Lindwurm sprang.
Der Lindwurm schrie sehr laute,
Daß es im Wald erklang.

Der Herr mit frischem Muthe,
Schlug auf das wilde Thier,
Mit seinem Schwerdt so gute,
Daraus wild Feuer fuhr.
Da sah der Löw' das Gute,
Sein' Treu dem Herrn anbot.
Der Herr aus freiem Muthe
Schlug da den Lindwurm todt.

Der Leue thät sich legen
Zum Herrn und seinem Schild,
Er thäte seiner pflegen,
Er fing ihm Hirsch und Wild;
Groß Treu empfing der Herre
Von diesem wilden Thier.
Er pflegt's ihm machen gare,
Ohn' alles Feuer hier.

In diesem großen Walde
Waren sie mit Wasser umgeb'n:
Er besann sich hierauf balde:
Wie komme ich von dem Löwen?
Eine Hord' thät er bald machen,
Von Holz und auch von Reis,
Der Löw' thät darnach trachten,
Wie er bekäm die Speis.

Die Hord' wurde gebunden,
Er legt sie auf das Meer,
Setzte sich drauf von Stunden,
Sah sich sehr weit umher.
Der Löwe kam gegangen,
Hatt' ihm ein Wild gehetzt,
Der Herr säumt' sich nicht lange,
Hat sich erst niedergesetzt.

Der Löwe trauret' sehre,
Fand seinen Herren nicht,
Lief hin und her so sehre;
Von weitem er ihn erblickt,
Hörte des Herren Stimme
Und sah ihn auf dem Schiff,
Schwamm bald mit großem Grimme
Zum Herren in das Schiff.

Sie fuhren Tag und Nachte,
Wo sie der Wind hintrieb,
Der Herr auch immer wachte,
Für Angst er wenig schlief,
Hätt' auch lieber gesehen,
Der Löw' wär' blieben da.
»Wie wird es mir nun gehen,
Das Unglück kommt mir nah'!

Ach Gott! thu' dich erbarmen, –
Rief er – hub auf sein' Hand',
Hilf doch an's Land uns Armen,
Die Speise hat ein End'.«
Es war Gott zu erbarmen,
Wie man erachten kann;
Der Löw' in seinen Armen
Sah' ihn ganz traurig an.

Ja, Wunder muß ich sagen,
Wie man es oft empfind't,
Mancher Feind thut Haß tragen,
So bös er auch gesinnt,
Aber Gott kann es wenden,
Muß kommen ihm zu gut,
Sein Unglück auch so enden
Und helfen aus der Noth.

Der Herr beständig wachet,
Hat Tag und Nacht kein' Ruh.
Gar bald sich zu ihm machet
Der Satan sprach ihm zu:
»Neue Post, so nicht erlogen,
Hör' wohl auf meine Wort',
Du liegst in Wasserwogen,
Mußt endlich sterben todt.

Zu Braunschweig eingezogen
Vorgestern zu Mittag,
Ist wahr und nicht erlogen,
Was ich dir jetzund sag':
Man wird Beilager halten,
Welches jedem wohl bekannt;
Ein Fürst aus fremden Landen,
Der kriegt dein Weib und Land.«

Der Herr saß sehr in Trauren,
Er glaubte es fürwahr:
»Meine Reise that dauren
Länger denn sieben Jahr,
Sie werden nicht anders denken,
Ich sei weg von der Welt.
Zu Gott will ich mich lenken,
Er mach's, wie ihm's gefällt.« –

»Ja, hör', ich will dir sagen,
Du red'st noch viel von Gott;
Du liegst in Wasserwogen
Er hilft dir nicht aus Noth.
Ich will dich heute führen
Zu der Gemalin dein,
Auch zu den Freunden vielen,
Wenn du willt meine sein.«

Sie hatten ein lang Gespräche,
Der Herr wollt' willigen nicht:
»So ich mein Gelübde bräche
Gegen Gott, dem ewigen Licht,
Ob ich gleich bin ein Herre
Zu Braunschweig hochgeboren,
Fiel' ab von Gott meinem Herren,
Wär' ich ewig verloren.« –

»Ein's will ich dir vorschlagen,
Geh' nur nicht lang' zu Rath,
Ich will dich heut' hintragen
Nach Braunschweig vor die Stadt,
Ohn' den geringsten Schaden
Auf den Giersberg legen hin.
Da kannst du meiner warten,
Bis ich komm' wieder hin.

Dann will ich auch verschaffen
Den Löwen an den Ort,
So finde ich dich schlafen –
Nun merk' wohl auf die Wort' –
Sodann sollt du mein eigen
In meinem Reiche sein.«
Wollt' ihn gerne betreugen
Um Leib und Seele sein.

»Ach Gott, thu mich erretten,
Sehr böse ist die Sach',
Ich will gar treulich beten,
Will halten fleißig Wach'.
Ach Gott! thu mir bescheeren
Heut einen sel'gen Tag;
Ich befehl' mich Gott dem Herren,
Bis der Löwe kommet nach.«

Der Herr thät sich besinnen,
Gab seinen Willen drein,
Wie er möcht' kommen von hinnen
Zu der Allerliebsten sein.
»Ach Gott! woll'st mich bewahren
Diesen Tag und auch die Nacht,
In Gottes Geleit zu fahren,
Eh' die Hochzeit wird vollbracht.«

Er nahm alsbald den Herren,
Führt ihn in Lüften hin,
Vermeint', er soll' sein werden,
Hätt' einen guten Gewinn.
Vor Braunschweig legt er nieder
Den edlen Herren fromm:
»Ich komme gar bald wieder,
Du kannst wohl wachen thun.«

Der Herre war sehr müde,
Es war kein Wunder nicht:
»Ach Gott! mich heut' behüte,
Sonst mir sehr weh' geschieht.
Hilf ja, daß ich mög' wachen,
Es möcht' mir übel sein,
Möcht' kommen in Satan's Rachen,
Dazu in die ew'ge Pein.«

Er that sich niedersenken,
Der Schlaf setzt ihm sehr zu;
Es war nicht zu verdenken,
Hatte lang gehabt keine Ruh'.
Er lag auf dem Giersberge
Zu Braunschweig vor der Stadt;
Wie man gar leicht kann merken,
Von der Reise war er matt.

Es währete drauf nicht lange,
Der Teufel kam gefloh'n,
Hatte sehr fest umfangen
Den allzutreuen Leu'n.
Der sah den Herren liegen,
Gedacht', er wär' schon todt;
Er ruhete am Berge,
Wär kommen bald in Noth.

Der Löwe thät laut schreien,
Weil sich der Herr nicht rührt;
Dem Teufel thäts gereuen,
Daß er ihn hatt' geführt.
Der Herr von solchem Schreien
Gar bald und schnell erwacht;
Den Teufel thät's gereuen,
Warf den Löwen, daß es kracht.

Denn, so der Herr geschlafen,
Wär' kommen um Leib und Seel',
Allein Gott thät es schaffen,
Von ihm kommt Leben und Heil,
Half ihm in diesem Leben
Aus solcher großen Noth,
That seiner ferner pflegen,
Half ihm bis in den Tod.

Der Herre fiel darnieder
Und dankte Gott dem Herrn,
Richt't sich darnach auf wieder,
Es wollt' bald Abend werd'n.
Wär' er den Tag nicht kommen,
Wär' ihm ein großer Schad',
Wie ihr jetzt habt vernommen,
Er kam sobald zu spat.

Er kam in Braunschweig gangen,
Der Löwe folgt ihm nach,
Er war gar schlecht empfangen,
Nach der Burg war sein Gang.
Er hört' ein groß Getöne,
Dacht': was mag dieses sein?
Thät sich bald lenken schöne
Nach dem Mosthaus hinein.

In's Haus wollt' er eintreten,
Man wollt' ihn nicht einla'n,
Trabanten und Soldaten,
Die drohten ihn zu schla'n.
»Was willt du denn hier machen,
Wohl in dem Fürstenhaus?
Du hast hier nichts zu schaffen,
Geh', packe dich hinaus.«

Groß Wunder nahm den Herren,
Was er da hört' und sah:
»Es dürfte wohl wahr werden,
Was der Teufel mir gesagt.
Was heißt das Getön' und Pfeifen,
Ist hier ein fremder Herr?
Gebt mir Bericht ihr Leutchen,
Was sind's für neue Mähr?« –

»Der Herr ist gar nicht fremde,
Er ist uns wohl bekannt;
Ich sag', daß er bekomme
Heut' das Braunschweiger Land,
Mit unser gnäd'gen Frauen;
Denn sie ist hochgebor'n,
Ist eine Wittwe in Treuen,
Ihren Herrn hat sie verlor'n.«

Der Herr wundert sich sehre,
That eilen mit der Sach',
Er gab ihnen die Ehre
Und bat freundlich die Wach'.
Sie trugen kein Bedenken,
Thaten den Willen sein,
Er begehrte nur zu schenken
Ihm einen Becher Wein.

Der Herre bat recht sehre,
Er wollt' gar nicht abla'n,
Er war ihr Landesherre,
Der Abend kam heran.
Zu einem sprach er in Treuen:
»Sprich doch die Fürstin an,
Es soll dich nicht gereuen,
Du scheinst ein braver Mann.

Und thu sie freundlich bitten:
Einen Trunk von ihrem Wein'
Wolle sie herunter schicken,
Matt ist das Herze mein.«
Er sahe an den Löwen
Und auch den werthen Mann,
Er lief gar schnell und eben
Und zeigt's der Fürstin an.

Die Braut mußt dessen lachen,
Sprach: »was ist das für ein Mann?«
Es waren ihr seltsame Sachen,
Daß er einen Löwen sollt' ha'n.
Bald gab sie ein Geschirre,
Ließ ihn das trinken aus:
»Er ist ein Ebentheure,
Wie kommt er in das Haus?«

Sie schickt den Becher hinunter:
»Soll austrinken den Wein.«
Der Diener sprach: »mich nimmt's Wunder,
Wer magst du doch wohl sein?
Daß du begehrst zu trinken
Von diesem edlen Wein,
Den man der Herzoginnen
Allein thut schenken ein?«

Er nahm den Ring von Golde,
Der in zwei Theilen war,
In'n Becher warf er ihn balde,
Bat sehr, er möcht ihn dar
Tragen zur Fürstin milde.
Drauf war geschnitten ein
Sein Name, Helm und Schilde;
Das trug man ihr hinein.

Der Diener das Geschirre
Nahm und thät ihm nichts sagen,
Es däucht ihm Ebentheure,
Für die Fürstin thät er's tragen.
Sprach: »ach, gnädige Fraue,
Eine Fürstin hoch gebor'n,
Eure Gnaden thu' dies anschauen,
Habt ihr das Gold verlor'n?«

Sie nahm das Gold zu Handen,
Und thät's fleißig anschau'n,
Es lag ihr Herz in Banden,
Auf sie sah'n alle Frau'n.
Sie war entfärbet sehre,
Bald war sie wie ein' Leich';
Sie dacht': es ist mein Herre,
Der Herzog von Braunschweig.

Die Braut stund auf in Eile,
Bald in die Kammer ging;
In einer kleinen Weile
Rief sie den Kämmerling,
Sprach: »habt ihr nicht gesehen
Draußen den fremden Mann?
Welcher vor unser'm Schlosse
Soll mit einem Löwen stahn.«

Er sprach: »gnädige Fraue,
Ich hab' ihn wohl geseh'n,
Thät ihn gar wohl anschauen,
Der Löw' that mit ihm geh'n;
Der Leu ist ihm getreue
Und ist ihm unterthan,
Viel Leute ihn anschauen,
Es ist ein feiner Mann.«

Sie legt' sich an die Zinne
Und thät hinunter schau'n,
Ward ihren Herren inne,
Er saß da mit dem Leu'n.
»Hilf Gott, daß mir's gelinge,
Was er mir hat geschickt,
Ist von meines Herren Ringe.«
Gar oft sie ihn anblickt.

»Laßt ihn herauf nur kommen
Wir wollen ihn befragen,
Wo er den Ring bekommen,
Er wird es uns wohl sagen.
Den Ring kenn' ich gar eigen,
Mein Herr hat mir ihn geben,
Da er von mir wollt' scheiden.
Ach Gott! wär' er am Leben!

Thät ihn von einander schneiden,
Dies ist gewißlich wahr,
Da er von mir wollt' scheiden,
Ist länger denn sieben Jahr.
Sollt' ich kommen nicht wieder
Auf dieses Hauses Saal,
Sprach da mein edler Herre,
So nehmt ein ander Gemal.«

Jedermann nahm es Wunder,
Was noch daraus wollt' werd'n;
Die Räthe nahmen besunder (besonders)
Den frommen Landesherrn.
Sie fragten diesen Frommen
Um diese Wunderding,
Und wie er hätt' bekommen
Von ihrem Herrn den Ring.

Der Herr fing an zu lachen,
Sprach: »es wird werden gut;«
Ja fleißig thät er trachten,
Daß er könnt' seh'n die Braut:
»Von keinem hab' ich bekommen,
Das sag' ich euch fürwahr,
Ich hab' den selbst genommen,
Sind länger denn sieben Jahr.«

Sie alle ihn anschauen,
Er war ein ernster Mann,
Ging'n hin zur edlen Frauen
Und zeigten ihr dies an:
Der Ring wäre gekommen
An seinen rechten Ort,
Drum wäre er geleget,
Wo er billig hingehört.

Deß wundert sie sich sehre,
Ging eilend durch den Saal;
Sie sprach: »ach Gott! mein Herre,
Ist's mein lieber Gemal,
Dem dieser Ring gewesen,
Dem liebsten Herren mein?
Ach Gott! ist er's gewesen,
Sollt' er beim Leben sein?«

Sie thät den Herrn anschauen,
Für Freud' fiel sie zur Erd',
Der Herr sah an die Frauen,
Er ihr aufhelfen thät.
Es wundert allen Herren,
Sie sprachen allzugleich:
»Was will doch daraus werden,
Herr Gott im Himmelreich?«

Die Fürstin thät ihn nennen,
Bot ihm die weiße Hand:
»Ach Herr, ihr wollt euch nennen,
Seid ihr der Herr im Land?
Ihr sollt euch uns anmelden,
Sag'n wir zu dieser Stund',
Wir preisen Gott den Herren,
Der läßt euch kommen gesund.« –

»Vor Zeiten war ich ein Herre –
Sagt er – es ist kein Spott,
Es geschieht mir wenig Ehre,
Muß es befehlen Gott.
Ich war ein Herr ohn' Sorgen,
Das sag' ich noch fürwahr,
Von Braunschweig ausgezogen,
Schon länger denn sieben Jahr.« –

»Seid ihr der Landesherre,
So seid uns allen willkomm;«
Thaten ihm große Ehre;
Denn er war mild und fromm.
Die Fürstin fiel darnieder
Und dankt dem Herren Gott:
»Mein Herr ist kommen wieder,
Hat ihn errett't aus Noth.«

Zu Tische man ihn weiset,
Ein jeder es geseh'n,
Wo man ihn besser speiset,
Als auf der Hard' (dem Schiff) gescheh'n.
Bei der Braut setzt man ihn nieder,
Jeder sich verwundert hier,
Der Leue ward versorget,
Sein allzutreues Thier.

Was soll man weiter sagen?
Dem Bräut'gam kam die Mähr'
»Es war wohl zu beklagen,
Daß eben kam der Herr,
Nun ist mein Thun verloren,
Durch den Korb bin ich hindurch,
Wär' ich noch höher geboren,
Stünd' ich jetzt sehr in Sorg'.«

Der Bräut'gam trauret sehre,
Es war ihm leid der Hohn,
Wenn's nicht der Landsherr wäre,
Er wollt' nicht lassen davon.
Nach der Braut stund sein Verlangen.
»Ich hab' ein Wild gejagt,
Ein and'rer hat's gefangen,
Das sei ja Gott geklagt.«

Die Herren gingen zusammen,
Und hielten einen Rath,
Der Herzog dazu kommen,
Einen jeden er da bat:
Guten Rath sie sollten geben.
In Gnaden ward's erkannt,
Dieweil er hatt' sein Leben,
Darzu war Herr im Land'.

Seiner Gnaden sie drum dankten,
Die Sach' war nicht verloren:
»Ein Fräulein ist aus Franken,
(Sie war auch hochgebor'n),
Die wir dem Bräut'gam geben,
Das soll gescheh'n zur Hand,
Ist sauber, schön, gar eben,
Als eine in dem Land'.«

Dem Herzog solches gefallen,
Der Vorschlag war ganz gut,
Er lacht', daß es erschallen,
Ganz fröhlich war sein Muth.
Gingen in Eil' gar balde,
Zeigten's dem Herzog an,
Er sollte Hochzeit halten,
Dies Fräulein sollt' er ha'n.

Die Herren eilten sehre,
Gingen zu ihm ins Gemach,
Sie sagten ihm die Mähre,
Erzählten ihm die Sach'.
Zeitung wollten sie bringen,
Die Sach' sollt' werden gut,
Man wollt' ihm bald zuführen
Eine schöne junge Braut.

»Euer Gnaden haben vernommen
Von unserm Landesherrn,
Daß er ist wiederkommen
Aus fremden Landen fern;
Gott denselben hat bewahret
In vieler Angst und Noth,
Wir alle haben getrauret,
Als wär' er längsten tod.

Weil es denn Gott so schaffet,
Sei euch zur Eh' vermacht.
(Die Fürstin auch drauf hoffet
Und es gar nicht veracht't),
Euch aus edlem Stamm gar eben
Ein Fräulein auserkor'n;
Dieser Rath ist nun gegeben
Vom Fürsten hochgebor'n.«

Der Fürste sprach mit Sitten:
»Ach, lieben Räth' und Herrn,
Ein's will ich euch noch bitten,
Könnt ihr mir das gewähr'n,
Daß unser gnäd'ger Herre
Geb' seinen Willen drein,
Ich sag's auf meine Ehre,
Sie soll mein eigen sein.

Spürt ihr den gnäd'gen Willen
Von denen Hochgeborn'n,
So geht in aller Stillen
Zu der, die mir erkohr'n.
Ich sag' es euch fürwahre,
Sie soll mein eigen sein,
Mit mir ich sie heimfahre,
Gar bald in meine Heim't.«

Sie säumten sich nicht lange,
Gingen zu der Fräulein,
Sie wurden schön empfangen,
Hieß sie willkommen sein.
Mit züchtigen Geberden
Trugen sie ihr an die Sach',
Das Fräulein wollt' sich wehren,
Sie endlich freudig lacht.

Sie wollte Aufschub nehmen,
Die Herren wollten nicht,
Und sich ein wenig schämen:
Doch höflichen Bericht
Sie sollten fragen ihr'n Herren,
Dazu seiner Gnaden Gemal,
Was diese würden rathen,
Sollt' ihr gefallen wohl.

Sie sprachen: »edles Fräulein,
Unsre gnädige Obrigkeit
Hat schon gegeben den Willen drein,
Gebt uns kurzen Bescheid.
Auch uns're gnädige Fraue
Hätt' ihn selber genommen,
Wir sagen's euch mit Treue,
Wär' der Herr nicht wiederkommen.« –

»Nun, Gottes Wille geschehe,
Will er es also ha'n,
Daß ich soll greifen zur Ehe,
Zeigt's unserm Herren an.«
Sie sprachen: »das müssen wir sagen,
Daß unser gnäd'ger Herr
Euch dieses vorgetragen
Reicht euch zu großer Ehr'.«

Das Fräulein gab ihren Willen,
Sie hatte ja gesagt;
Zeigten's dem Herrn im Stillen,
Sagten: »es ist wohl gemacht,
Das Fräulein ist euer einen,
Gott geb' euch Glück dazu,
Wollen sie euch bald beilegen,
Sollt schlafen in guter Ruh'.«

Der Herr mit freiem Muthe
Schön dankte diesen Herrn:
»Mein Sach' ist worden gute,
Nun besteh' ich mit Ehr'n.
Soll ich nun Hochzeit machen
Mit meiner neuen Braut,
Vivat! Gott thu' es machen,
Daß wir werd'n bald getraut.«

Sie antworteten in Eile:
»Das wird nun bald gescheh'n.«
Man nahm da nicht die Weile,
Ging alsbald zum Fräulein;
Man nahm sie bei den Handen
Und führte sie zum Herrn,
Liebreich ward sie empfangen,
Er nahm sie herzlich gern'.

Großen Dank thät er ihr sagen,
Auch sie umarmte fein
Und auf einem güldnen Wagen
Führt' sie zur Kirchen ein.
Niemand fast konnte hören
Allda sein eigen Wort,
Von Pfeifen und Trompeten,
Desgleichen nie gehört.

Man gab sie da zusammen,
Wie es noch jetzt geschicht,
Als sie nach Hause kamen,
War alles zugericht't.
Jeder war voller Freuden,
Jedem die Sach' däucht' gut;
Es war wohl zugerichtet.
Doch nicht auf diese Braut.

Man that nun Hochzeit halten,
Man sah da manchen Mann,
Von Jungen und von Alten
Gerüstet auf dem Plan;
Mit Rennen und Turnieren
Brach mancher seinen Spieß,
Ja, wie man konnte spüren,
That jeder seinen Fleiß.

Die Hochzeit kam zu Ende,
Ein jeder Urlaub nahm,
Gaben dem Herrn die Hände,
Braut und dem Bräutigam.
Man ließ sie auch begleiten,
Groß Gut man ihr mitgab,
Jeder sah' es an mit Freuden,
Hatte sein Vergnügen drab.

Der Herzog saß in Ehren
Regierte Leut' und Land;
Man mußte ihn recht ehren,
Den Frommen er beistand.
Man that ihn überall lieben,
Den Herren zu Braunschweig,
Von wegen seiner Treuen.
Macht manchen Armen reich.

Bis in seinen alten Tagen
Hat ihn Gott wohl bewahrt,
Sein Gemal, ohn' alles klagen,
Für Unglück auch bewahrt,
Auch die nach seinem Tode
Das Land regieret fort,
Denen gab Gott auch Güter,
Junge Herren und Fräulein fort.

Der Herzog legt' sich nieder,
Vor Alter war er schwach,
Sprach: komm ich nicht auf wieder,
So befehl ich Gott mein' Sach',
Christo, meinem Herren,
Befehl' ich Leib und Seel',
Der wolle nun mein pflegen,
Von ihm kommt Leben und Heil.

Sein' Gemalin weinte sehre,
Der Herr gesegnete sie:
»Mein Bleiben ist nicht mehre,
Gott woll' erhalten hie,
Er wolle euch bewahren,
Dazu auch Leut' und Land;«
Und in derselben Stunde
Bot jedem er die Hand.

Seinen Geist thät er aufgeben,
Der edle Herzog werth
Und endet so sein Leben;
Man legt' zu ihm sein Schwerdt.
Drauf ward prächtig begraben
Des theuren Fürsten Leich',
Das Grab zu sehen kann haben
In der Burg zu Braunschweig.

Jedermann traurete sehre
Um den Herrn Hochgebor'n,
Wie auch das wilde Thier
Sein Leben hat verlor'n.

Der Leu legte sich nieder
Auf seines Herren Grab,
Davon wollt' er nicht wieder,
Bis er seinen Geist aufgab.

Die Ehre that man dem Löwen
Und legt ihn in ein Grab,
Welches noch heut' zu sehen
Auf der Burg zu Braunschweig.

Täglich man auch hingehet,
Das Grab besehen hat,
Auf einer Säul' er stehet,
Zum Gedächtniß treuer That.

Ein' Greifenklau auch hanget
Zu Braunschweig in dem Thum,
Mit welcher man noch pranget
Zum Andenken und Ruhm.

Dies kann man allda sehen,
Zum Zeugniß, daß es wahr,
Des Löwen Gedächtniß stehen,
Welches gewiß ist wahr.

Ach Gott! du wollst behüten
Dies hohe Fürstenhaus,
In aller Regenten Zeiten
Theilen den Segen aus
Und gnädiglich bewahren
Für Pest, Krieg, Raub und Brand,
Wie auch gnädig vermehren
Die Nahrung in dem Land'.

Zum stätigen Andenken
Der wunderbaren Geschicht',
Und auch zu ewigen Ehren
Des Herren Herzog Heinrich
Und seinem getreuen Löwen
Ist dies ganze Gedicht,
Dem fürstlichen Stamm zu Ehren
In Braunschweig aufgericht't

Quelle: Johann Gustav Gottlieb Büsching: Volkssagen, Märchen und Legenden, Leipzig, Reclam, 1812,