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Die Prophezeiung des Bruders Hermann von Lehnin
In der Mittelmark an der Havel, etwa zwei Meilen von Potsdam, liegt das jetzige Schloß und Amt Lehnin; dasselbe war ehedem ein berühmtes Kloster, in welchem mehrere Chur- und Markgrafen von Brandenburg begraben liegen. Daselbst lebte einst ein durch seinen heiligen Wandel und seine Gelehrsamkeit hochberühmter Mönch (zwischen 1272-1339), Namens Hermann, der in schlechten lateinischen Reimversen die künftigen Schicksale seines Klosters besang und dabei natürlich auch das Schicksal aller folgenden preußischen Fürsten mit berührte, insoweit dasselbe mit der Zukunft des Klosters in Verbindung stand und von demselben abhing. Ueber die Geschichte dieser Prophezeiung giebt es nun aber zwei verschiedene Berichte. Nach dem einen wäre dieselbe bei der Einziehung des gedachten Klosters (1542) in fremde Hände gerathen, bis der Churbrandenburgische Rath, Erasmus von Seidel, der durch seine glückliche Vertheidigung der Jülich'schen Erbfolge für das Churbrandenburgische Haus in ihren Besitz gelangte und sie als geheimen Schatz in seinem Hause verwahrte und erst gegen das Ende der Regierung des Churfürsten Friedrich Wilhelm Andern mittheilte. Eine andere Sage erzählt, diese Prophezeiung sei in den letzten Jahren des genannten Churfürsten, als derselbe einst in das auf der Stelle des verfallenen Klosters erbaute Schloß gekommen, um sich in der Umgebung desselben mit der Reiherbeitze zu belustigen, daselbst in einer alten Mauer aufgefunden worden.1))
Aus dieser Handschrift ist die Prophezeiung dann zuerst von dem bekannten Königsberger Theologen Mich. Lilienthal im II. Theile seines Gelehrten Preußens (Th. IV. S. 286 etc.) durch den Druck bekannt und später von einem gewissen Zoroaster mit einer deutschen metrischen Uebersetzung begleitet unter folgendem Titel herausgegeben worden:
Der Preußische Wahrsager, das ist: Bruder Hermanns von Lehnin wundersame Propheceyungen von den Regenten des Chur-Fürstlichen Hauses Brandenburg und Königreichs Preußen, und deren Besteigung des Kayserlichen Thrones; nebst verschiedener die Europäischen Staaten betreffenden theils raren theils merkwürdigen Prognosticis, aus geheimen Nachrichten und Urkunden sorgfältig zusammen getragen und der curieusen Welt zur Beurtheilung getreulich mitgetheilt von Zoroaster. o.D. 1741. in 4°.
Seit dieser Zeit sind verschiedene Ausgaben dieser merkwürdigen Schriftstücke erschienen, die zum Theil unter sich etwas verschieden sind; wir lassen hier die alte Uebersetzung des schon genannten Zoroaster folgen:
Bruder Hermanns von Lehnin wundersame Propheceyung von den Regenten des Chur-Fürstlichen Hauses Brandenburg, abgefaßt im Jahre Christi 1306.
Nun will ich dir, Lehnin! dein künftig Schicksal sagen,
Das mir der Herr der Welt selbst angezeiget hat.
Denn ob du gleich itzund wie eine Sonne glänzest,
Und ein unsträfliches und heiligs Leben führst,
Auch keinen Mangel spürst an Ruh und Wohlergehen;
So kömmt doch eine Zeit, die dich wird anders sehen,
Da du kaum was wirst sein, wo nur nicht gar vergehen.
Das Volck, das dich gebaut, hat allzeit dich geliebet.2)
Mit diesem fühlst du auch, und bist nicht mehr so lieb.
Nun hebt sich bald drauf an die höchstbetrübte Stunde,
Darinn Ottonis Stamm auch gänzlich geht zu Grunde,
Dieweil kein eintziger Sohn von selbem überbleibt.3)
Da fällst du nun zuerst, jedoch nicht gar zu Boden.
Indessen wird die Marck viel schwere Drangsal leiden,4)
Denn Otton's Wohnung nimmt die Brut der Löwen ein,5)
Da wird der rechte Erb' alsdann verstoßen sein.
Wenn fremde Völcker sich biß nach Corin6) begeben,
Wird ihren Stoltz gar bald der schlaue Kayser heben.7)
Doch wird ob diesem Schutz die Marck sich wenig freun.
Der königliche Löw' wird wieder abwärts gehen,8)
Und dieses Land nicht mehr die rechten Herren sehen.
Viel Herrscher machen dann dem Lande große Pein.9)
Der reiche Adel wird die Bürger unterdrücken,
Und manchen Geistlichen ohn Recht ins Elend schicken.
Es wird gehn, wie es ist zu Christi Zeit gelauffen,
Man wird ohn alle Scheu viel Menschen selbst verkauffen.
Doch daß du liebe Marck nicht ohne Haupt mögst sein,
Wirst durch zwey Burge du zu größern Ehren steigen10)
Und dich, doch nur zum Schein, zur Ruh und Friede neigen,11)
Und durch der Wölfe Tod triffst du der Schaafe Hertz,12)
Diß sag ich: Dieser Stamm wird lang im Flor bekleiben,
Und deines kleinen Staats viel Jahr Beherrscher bleiben,13)
Bis die erleget sind, die damahls hochgeehrt,
Die Städte wüst gemacht, den Herrn ihr Recht gewehrt.
Des Vaters Folger wird des Bruders Freiheit kränken14)
Und den unbillgen Tod nicht billig machen dencken.
Nachdem er müd vom Krieg und manchem Unglücks-Streich,
Folgt ihm der Bruder bald in dem verlaßnen Reich,15)
Zwar ein sehr tapferer, doch auch sehr eitler Mann,
Der auf den Berg gedenckt, die Brück nicht reichen kann.
Schaut, arme Lehniner! wie er die Schwerdter wetzet,
Der schont die Brüder schlecht, der Väter selbst verletzet.16)
Sein Nachfahr weiß des Kriegs durch seine Kunst zu spotten17)
Er sagt den Kindern selbst ein großes Glück vorher,18)
So wartet denn auf sie groß Glück und große Ehr.
Und ihnen soll's so wohl als wie ihm selbst ergehen.
Dann aber wird ein Weib dem Land viel Unglück schaffen,19)
Ein Weib, das angesteckt durch neues Schlangen-Gifft,
Und dieses wird biß zu dem eilften Stamme dauren.
Nun kommet der herfür, der dich Lehnin sehr haßt20)
Er schneidet als ein Schwerdt, hat nicht viel Guts im Sinn,
Er störet und verkauft die Kirch und Kirchen-Güter.
Geh, mein verlaßnes Volck! Du hast nun keinen Schutz,
Bis eine neue Zeit wird alles wieder bringen.
Der Sohn bestätiget des tollen Vaters Thun,21)
Drum wird ein Geistlicher vor einen Thor gehalten,
Und weil er nicht sehr streng, heißt er der beste Herr;
Ihm folgt aus seinem Stamm ein ganz ungleicher Zweig.
Er stirbt im Todten-Jahr an einem hohen Ort.22)
Drauf fordert der das Reich, der in der Stadt gebohren,23)
Er nährt sein Kind mit Furcht; durch Hoffnung andere;
Doch was er heimlich fürcht, wird, seht nur! doch geschehen.
Bald läßt sich ein neu Spiel nach Gottes Zulaß sehen;
Allein er lebt nicht lang, der voller Fehler war,24)
Und durch Gesetze viel, noch mehr durch Strafen störte,
Die doch durch sein Befehl nur immer ärger wurden,
Und besser könnten seyn, wenns dem Geschick gefiel.
Er war verschmitzt genug, doch keines Lobes werth.
Dem Vater folgt der Sohn als Churfürst von der Marck,25)
Der viele leben ließ nach wohlverdienter Straffe;
Er glaubete zu viel, drum frißt der Wolff die Schaafe,26)
Doch folgt der böse Knecht bald seinem Herren nach.
Dann kommen, welche sich von dreyen Burgen nennen,27)
Und unter'm großen Herrn wächst der schon weite Staat.
Die Sicherheit des Volcks ist des Regenten Stärcke,28)
Allein sie hilfet nichts, wenn Klugheit niederliegt.
Der folgen wird, wird nicht ins Vaters Fußstapf treten.
Ihr Brüder betet nur! vergießt, ihr Mütter, Thränen!
Des Nahmens Deutung treugt von frohem Regiment.
Es ist nichts gutes mehr: eilt alle Bürger fort!
Es ist nun gäntzlich aus, und keine Hoffnung übrig.
Bald knirscht ein Jüngling, da die große Mutter seuffzet,29)
Allein wer kann den Staat, der so verwirrt, verbessern?
Die Fahne greifft er an, doch nur zu seinem Schaden,
Bei kaltem Norden-Wind will der ins Kloster gehn;
Der folget, ahmet nach der Väter schlimmen Sitten,
Den Seinen fehlt die Kraft, dem Volcke Stern und Glück;
Der, dessen Hülff er sucht, hat wider ihn gestritten,
Und kommt durchs Wasser um, da alles er umkehrt.30)
Der Sohn wird blüh'n, und das, was er nicht hofft, erlangen,31)
Doch hat ein traurig Volck alsdann bethränte Wangen.
Denn nun kommt, wie es scheint, ein seltnes Glücks-Gesicht;
Das Wachsthum seiner Macht weiß selbst der Fürste nicht.
Zuletzt den Scepter trägt der letzte von dem Stamm.
Israel wagt eine That, die kaum des Todes würdig.
Der Hirt nimmt auf die Schaaf, und Deutschland ihn zum König.Damit kann blos gemeint sein, daß die Juden das Land in's Unglück und Elend stürzen und dafür vom Volke vertilgt werden sollen.
Die Marck vergißt durchaus, was übels vor geschehen;
Sie nährt die Ihrgen selbst, mag keinen Fremden sehn.
Lehnin und Corin wird von neuem aufgebaut:
Es kommt die Clerisey zu ihren alten Ehren,
Auch stellt der Wolf nicht mehr dem edlen Schaaf-Stall nach.
Eine ähnliche alte Prophezeiung über die deutsche Kaiserkrone, welche dem Hause der Hohenzollern zu Theil werden solle, will der bekannte Geschichtsschreiber Nicolaus Leutinger (Opera ed. Küster. 1729. Th. II. p. 1239) in einem Kloster gefunden und aufgezeichnet haben. Dieselbe lautet so:
Das weiße Pferd leidt großen Dranck
Behält doch endlich die Ueberhand.
Das Rauten-Kräntzlein wird wieder blühn
Und sich in Ehren sehr freuen.
Der Rothe Adler wird gar hoch schweben
Und sich viel über ander erheben.
Quelle: Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 1, Glogau 1868/71, S. 1-5