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Sagen über die Erbauung von Budissin, den Protschenberg und die Ortenburg

  Frenzel, Chronik v. B. f. 1. 
  Frenzel, nomenclator in script. II. 28. 
  Ejd. lex. slav, I. 199. msc. 
  Sintenis, d. Oberlausitz I. 62. 
  O. u. N. L. Chron. S. 265. 
  A. Böhland, die merkwürdigen Schicsale der O. L. 1831. S. 19.

I.

Da wo jetzt das Kloster der Barfüßler stehet, war der Anfang der Stadt Budissin. Rings umgeben von Birkengebüsch standen dort vor uralten Zeiten zwei Kretschame zur Einkehr für die Reisenden und Kaufleute, die von Polen aus nach Sachsen auf der großen Heerstraße durch die Wälder zogen, die dazumal die ganze Oberlausitz bedeckten. Nach und nach errichtete man in der Nähe dieser Kretschame mehre Häuser oder Bauden, woraus ein Dorf und später die Stadt entstand, wie das auch ihr Name anzeigt; denn Budissin heißt so viel als Budenstadt.

II.

Anno 958 hat Burggraf Wetzlaw, nachdem er im Jahre 921 die Ortenburg erbaut hatte, die Stadt Budissin gegründet und dadurch einem Gelöbniß Genüge geleistet. Denn er hatte seiner schwangeren Gemahlin, welcher der Ort gar wohl gefallen, versprochen, zu dem festen Schlosse auch noch eine Stadt zu erbauen, wenn sie ihm einen Sohn gebären würde. Er sollte auf böhmisch zu ihr gesagt haben: „budelissen“, wird's ein Sohn sein, so will ich dir deinen Willen thun. Sie gebar wirklich einen Sohn und zum Andenken daran nannte der Fürst die Stadt, so wie er gesagt hatte, Budlissen, woraus später Budissin geworden ist.

III.

Um das Jahr 880 ward die Stadt Budissin von einem mährischen Fürsten, der Budesin oder Budeslaw geheißen und dem böhmischen Herzoge Hortiwitz von der Mutter her befreundet gewesen, erbauet. Dieser Budeslaw hat die ganze Gegend eine Zeit lang beherrscht, bis er endlich von dem Böhmerherzoge Spitignew im Jahre 927 wegen eines Aufstandes abgesetzt und das Land wieder zum Herzogthume Böhmen geschlagen worden. Budeslaw hat auch die Hauptkirche zu St. Peter zuerst angelegt. (Monach. Pirn.).

IV.

Schon die ältesten Herzöge von Sachsen und Westphalen schrieben sich Herrn von Budissin (Budsecie). Wittekind ist daselbst geboren und Karl der Große hat ihm die Stadt erblich verliehen, nachdem er sich zum christlichen Glauben bekehrt hatte. (Agricola Stella. Beutlerus Regiomontanus).

Anmerkung: Fabricius, George, 1. II. Orig. Saxon. p. 198 — 310. I. III. 352. 1. V. 337., behauptet, die Wittetindische Familie habe 300 Jahre lang Budissin besessen, und Leuber „Ortenburgt“ S. 9. setzt hinzu, Wittetind hätte nicht nur die dänische Königstochter Geba, sondern auch (nach deren Tode?) die Suatana, eine Tochter des Böhmenherzogs „ Zach „ geheirathet.

V.

In alten Zeiten, als in der Lausitz die Deutschen und die Wenden friedlich untereinander wohnten, stand schon eine Burg auf der Anhöhe, welche später die Protschenburg genannt wurde. Diese alte Veste aber gefiel dem Anführer und seinen Leuten nicht mehr; sie hielten einen Rath und beschlossen eine andere auf einem Hügel am jenseitigen Ufer der Spree anzulegen. Alle stimmten freudig ein und die Deutschen schrieen: „Hier Ort der Burg“, während die Wenden jauchzten: „Preicz tam, buda szem“, d. i. fort von hier, das sei der Ort. Auf der Stelle wurde das Werk angegriffen und die alte Veste abgebrochen, die Anhöhe aber, wo sie gestanden, behielt den Namen Preicz, woraus später Protschenberg wurde. Gegenüber erhob sich ein neues Castell, zum Andenken des Ausrufes der Deutschen die Ortenburg genannt. Dabei aber entstand die Stadt, deren erste Anfänge die Kretscham waren, die schon seit dem Jahre 650 da gestanden hatten, und wurde auf wendisch so geheißen, wie auf deutsch, die Burg, nehmlich Buda szem. Dies geschah zu der Zeit, als Kaiser Karl der Große in Deutschland regierte.

Anmerkungen:

  1. Manche leiten Ortenburg von Othinburg ab und wollen so eine mythologische Spur im Namen finden. Das ist wohl irrthümlich. Drt heißt Spitze, Berg (Dann auch Gränze). Ortenburg ist einfach ein eben solcher Bleonasmus wie „Ortelsspitze“. Das Dorf Ortrand an der Oberlausitzischen Gränze bedeutet Gränzrand.
  2. Bei Erwähnung des althochdeutschen Wortes Ort Spitze, Gränze, will ich nicht unterlassen zu bemerken, daß der in der Lausitz sowie im Altenburgischen gebräuchliche Ausdruck: Oehrte, Oerthe, Aerte auf dieselbe Wurzel zurückzuführen ist. Im Altenburgischen laden die Gastwirthe auf dem Lande in den Wintermonaten ein „zum Oerthenschmaus “. In der Lausitz heißt Oerte (sprich Ihrde) so viel alo Zeche, Mechnung, die Oerte machen = Rechnung machen; dann auch die Gesellschaft, die sich etwa gelegentlich in der Schänge zusammenthut, um auf gemeinschaftliche Rechnung zu schmaussen. An Festtagen setzt man sich zusammen zum Dertentrunk. In Frenzel's sept. de populis Lus. finde ich zu Oertenglas die Erklärung Paßglas. Ein solches ist bekanntlich ein mit Abtheilungen oder Linien so versehenes Glas, daß man einen „Schnitt„ abmessen fann. Derte heißt wie das obige „Ort“ Gränze, Gränzlinie. Bei der Bedeutung Mechnung hat man an den Rechnungstrich zu denken, den der Wirth mit Kreide auf den Tisch macht, wenn er die Zeche zusammenzählt. In der Lausitz herrscht auch die Redensart: „Einem in die Oerte fallen“, welche Anton in seinem Idiotikon übersetzt: „Einem in's Wort fallen, durch Ungeschliffenheit stören“ – ganz recht; wörtlicher: die (Einem gesetzte) Gränze überschreiten, Jemandem ins Gehege kommen. Zum Schluß will ich noch eine Hamburger Sage berichtigen. In Hamburg heißt ein halbes Glas Wein „ein Polschen“. Wenn man fragt warum, so sagt der Hamburger: weil die Polschen (Polnischen) Juden aus Geiz immer blog Schnitte tranken. Das Wort ist aber slavischen Ursprungs; pol heißt entweder einfach „halb“ oder hat die Bedeutung von Paßglas; polo heißt ein abgegränztes Feld. Was aber bedeutet in manchen Städten (auch der Lausitz) die Polseite?
  3. Was den Namen Budissin betrifft, so kommen die Sagen II. und III. der Wahrheit am nächsten; denn nach einer sehr dankenswerthen Mittheilung des Archivarius şulatoboky in Deutschbrod (N. L. Mag. Bd. 37. S. 497) bedeutet Budissin Stadt, Ort der Budise, was für einen weiblichen Eigennamen erklärt wird. Budissin ist von einer Frau Namens Budise gegründet, wie Lubin von der Luba, Devin von der Deba u. s. m.

Quelle: Karl Haupt, Sagenbuch der Lausitz, Leipzig, Verlag von Wilhelm Engelmann,1862