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Die Ermordung des Heinrich Gottlob von Döbschütz

   Laus. Monatsschr. 1795. II. S. 342. 1796. II. 289.

Im Jahre 1692 reiste Heinrich Gottlob von Döbschütz, Sohn des Herrn von Döbschütz auf Lichtenhain, ein weit gereister junger Mann von großer Geistesbildung, zu einer adeligen Hochzeit nach Armenruh in Schlesien. Als man nach beendigter Trauung zur Tafel ging, kam dem Herrn von Döbschütz gegenüber ein gewisser Herr von Braun zu sitzen. Sobald Döbschütz den Mann erblickte, den er noch nie gesehen, fühlte er augenblicklich einen so heftigen Widerwillen gegen ihn und eine so unheimliche bange Furcht vor dem fremden Manne, daß er erblaßte und seinem Nachbar auf Befragen die seltsame Ursache seiner Aufregung mittheilte. Dieses Gefühl der Abneigung war so heftig, daß er es nicht mehr aushalten konnte, sondern aufstehen und sich in sein Zimmer zurückziehen mußte.

Die Gesellschaft war schon sehr angeheitert und Herr von Braun halb trunken, als die Abwesenheit des Döbschütz bemerkt und der Grund derselben mitgetheilt wurde. Herr von Braun hielt diesen Vorfall für eine arge Beleidigung seiner Ehre. Sein erstes Gefühl war Rache. Berauscht, wie er war, sprang er auf, stürzte nach dem Zimmer des Döbschütz, nöthigte diesen vom Bett aufzustehen und das Zimmer zu öffnen und durchbohrte den wehrlos im Hemde Dastehenden mit seinem Degen, daß er niederstürzte und starb.

Der Leichnam des Gemordeten ward auf dem väterlichen Gute zu Lichtenau in der adeligen Kirchengruft beigesetzt.

Als man nach etwa hundert Jahren den Sarg öffnete, fand man – wie jetzt vielleicht noch lebende glaubwürdige Augenzeugen versichern – den Leichnam noch vollständig unversehrt.

Von dem Leichnam eines andern Herrn von Döbschütz (auf Neukemnitz, gestorben 1632) erzählt man ganz dasselbe, so daß sich im Volke die Sage verbreitete, die Herren von Döbschütz seien unverweslich.

Quelle: Karl Haupt, Sagenbuch der Lausitz, Leipzig, Verlag von Wilhelm Engelmann,1862