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Der Zehrbrunnen bei Giehren

  Frietzsche, die Wigandsthal-Meffersdorfsche Kirchfahrt 1767 S. 9.

Oberwärts von Giehren bei Wigandsthal hat vor Alters eine Kapelle zum heiligen Wolfgang gestanden. Dabei war ein heiliger Wunderbrunnen. Seit aber die Kapelle verschwunden haben die Wunder des Brunnens aufgehört. Heut zu Tage heißt er schlechtweg der Zehrbrunnen.

Er war aber in alten Zeiten gleich dem Teiche Bethesda und hatte seine größte Kraft, wenn der heilige Wolfgang mit unsichtbarer Hand ihn in Bewegung setzte. Wer alsdann zuerst daraus trank, hatte sogleich seine Gesundheit wieder, mochte er vorher auch noch so krank gewesen sein. Man sagt, daß ganze Haufen von Krücken und Stäben hier gelegen hätten, welche die Genesenen daselbst zurückgelassen.

Aber auch gar viel Gold und Silber pflegten sie daselbst niederzulegen auf den Altar des heiligen Wolfgang. Davon wurde die Kapelle unermeßlich reich. Als aber später gottlose Menschen die Kapelle zerstörten, wurde der Schatz in den Brunnen versenkt und liegt noch heute da, und das Hauptstück dabei ist ein großes goldenes Krucifix in Lebensgröße. Ein Mönch aber bewacht den Schatz, den haben viele gesehen, den Schatz aber hat noch keiner gehoben.

Quelle: Karl Haupt, Sagenbuch der Lausitz, Leipzig, Verlag von Wilhelm Engelmann,1862