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Der Brautbrunnen bei Lichtenberg

  Mündlich.

Bei Lichtenberg, am Wege nach Neukretscham, ist ein jetzt fast versumpfter Brunnen, der heißt der Brautbrunnen. Das hat aber folgende Bewandtniß. Vor langer, langer Zeit, wie noch Neukretscham zu Lichtenberg eingepfarrt gewesen, ist einmal ein Brautpaar von da herüber in die Kirche gekommen und hat sich trauen lassen. Es war ein großer und lustiger Hochzeitszug. Aber er nahm ein Ende mit Schrecken; denn auf der Heimfahrt fiel der Wagen um, darinnen Braut und Bräutigam saßen, und sie fielen heraus und in den Brunnen hinein und sind da Beide in treuer Liebe gestorben. Der Brunnen war so tief und man konnte sie nicht wieder herausholen. Nur der Brautkranz schwamm oben auf den Wellen.

Und danach heißt der Born bis auf den heutigen Tag der Brautbrunnen, und welche Braut eine reine Jungfer ist, die kann den Kranz noch heute ganz deutlich auf dem Grunde des Wassers erblicken, hat sie aber ihr eigenes Kränzlein verloren, so ist ihr auch der Brunnenkranz nicht sichtbar. Daher führen die Burschen des Dorfes ihre Bräute zu dem Quell, um ihre Reinheit zu erproben. Es soll aber noch nicht vorgekommen sein, daß eine den Kranz nicht gesehen hätte. Wenigstens haben sie's immer gesagt.

Quelle: Karl Haupt, Sagenbuch der Lausitz, Leipzig, Verlag von Wilhelm Engelmann,1862