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Der Jugendbrunnen

  N. Laus. Mag. 1840. S. 402. 
  Haupt und Schmaler, Wend. Lieder I. 287. u. II. 149.

Es giebt in vielen Gegenden Deutschlands sogenannte Heil-, Queck- oder Jugendbrunnen, die in alten Zeiten heilig gehalten wurden, ja, wohl göttliche Verehrung genossen. Noch bis in das spätere Mittelalter hinein findet sich der Glaube, daß wer in solchen Brunnen, hauptsächlich in der Johannisnacht, bade, der werde gesund und verjüngt und selbst vor künftigen Krankheiten bewahrt. Auch bei Görlitz hinter dem heiligen Grabe ist ein solcher Jugendbrunnen, den hat der Rath zu Görlitz im Jahre 1489 zu Herrn Georg Emmerich's Zeiten bis an die Peterskirche leiten lassen. Auch bei den Wenden giebt es heilige Brunnen und der Glaube, durch Baden in denselben verjüngt zu werden, kommt in alten Liedern derselben vor.

Ein schönes Mädchen ging im grünen Jungfernkranze einher, doch heimlich hatte sie schon neun Kinder geboren und getödtet. Sie wußte aber einen Jugendbrunnen. Da badete sie sich jedesmal und bekam ihre vorige Schönheit und ihr jungfräuliches Aussehen wieder. Eines Sonntages früh aber, als die Schöne wiederum zum Jugendbrunnen geht, um darin zu baden, da entdeckt ein alter grauer Mann den Betrug, und wie sie über den Kirchhof geht, kommen die Geister der gemordeten Kinder und brechen ihrer Mutter das Genick.

Anmerkungen:

In dem einen Liede (II. 149.) heißt es: Mägdlein ging zur Kirche,
Hinter ihr verdorrete das Gras,
Vor ihr bluteten die Steine.
Mägdlein über'n Kirchhof ging,
Oeffneten sich neun der Gräber.
Mägdlein in die Kirche ging,
Folgeten ihr neun der Seelen u. s. w.

In einem anderen „von der schönen Jungfrau Aria“ (I. 287.) kommen die neun Kinder ohne Köpfe ebenfalls auf dem Kirchgange zu ihr. Sie wollen der Mutter die Sünde vergeben, aber Gott vergiebt ihr nicht, und als sie zum Altare geht, demüthig niederkniet und das heilige Kreuz macht, Da ach! versinkt urplötzlich sie,
Nichts weiter war von ihr zu sehen,
Nichts weiter als ihr gelbes Haar.

In einem dritten (I. 290.) ist zwar der Jugendbrunnen und der Kindermord nicht ausdrücklich ausgesprochen, dafür aber finden sich andere eigenthümliche Züge. Es ist am Hochzeitstage der Mutter. Ein Schäfer auf der grünen Wiese hört ein weinendes Kind in einer alten Weide. Es verlangt in das Hochzeitshaus und der Schäfer trägt's hinein: „Guten Abend, Hochzeitsgäste,
-“ Meine Mutter ist die Braut.
Schon uns neune sie gebar
Und das zehnte trägt sie noch.“
Die Braut vermißt sich, der Teufel solle kommen und sie zum Höllentanze holen, wenn sie des Kindes Mutter sei. Da kommt der Teufel zum Fenster hinein, „Riß ihr ab dem grünen Kranz,
Flog mit ihr zum Fenster hinaus.“
In einem solchen Jugendbrunnen legte bekanntlich die rauhe Else, die den Wolfdietrich entführt, ihre rauhe Haut ab und wird nun „Frau Sigeminne, die Schönste über alle Lande.“

Quelle: Karl Haupt, Sagenbuch der Lausitz, Leipzig, Verlag von Wilhelm Engelmann,1862