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Die Weihnachtsbescheerung im Krischaer Wäldchen

  Nach Gräve S. 184.

Bei Krischa, zwischen Bautzen und Görlitz, ist ein kleines Wäldchen nahe am Wege. Dort stand noch Ende des vorigen Jahrhunderts eine Betsäule mit verwitterter Schrift, an die sich folgende Sage knüpfte:

Zu Ende des 15. Jahrhunderts lebte zu Budissin ein armer Strumpfwirker. Der hatte einst um die Weihnachtszeit Arbeit nach Görlitz getragen, aber kein Geld dafür bekommen und wanderte nun am heiligen Weihnachtstage nach seiner Heimath zurück, schweren Herzens, denn er hatte seinem Weib und Kindern einen Görlitzer Strietzel und andere Weihnachtsgeschenke versprochen und hatte nun nichts, was er ihnen bescheren konnte.

Der Abend war schon hereingebrochen und am Himmel glänzten die Sterne und in den Häusern, wo er vorüber kam, die lieben Weihnachtsbäume. Aber als er in die Nähe des Krischaer Wäldchens kam, da glänzten auch zwischen den Bäumen viele hundert Lichter und er wußte nicht, was das bedeuten sollte. Aengstlich und neugierig blieb er stehen, betete ein Vaterunser und getraute sich endlich auf das Gebüsch zuzugehen. Und da trat ihm auch schon ein kleines vier Spannen langes Männchen entgegen, das war ganz weiß angezogen und das größte an ihm war der Bart, den hatte das putzige Männlein zwischen den Beinen durchgezogen und auch noch hinten durch seinen großen runden Hut hindurch gesteckt. Und der Strumpfwirker wußte nicht, ob er über ihn lachen oder sich vor ihm fürchten sollte. Aber das weiße Männlein redete ihn gleich an und sprach mit einer feinen Stimme, daß es wie eine Flöte klang: Fürchte Dich nur nicht, sondern folge mir nach, es soll Dein Glück sein. Und da führte es ihn in die niedrigen Fichten hinein und die waren erleuchtet mit vielen hundert Lampen und hingen ganz voll Aepfel, Birnen, Nüsse und Pfefferkuchen, daß es eine Herrlichkeit war. Pflücke Dir ab, soviel Du willst, es ist alles für Deine lieben Kinder, sprach das Männlein, und mein Strumpfwirker läßt sich dies nicht zweimal sagen und füllte den Sack zur Hälfte mit den Süßigkeiten. Aber ganz voll füllte er ihn nicht, denn es war gar eine bescheidene Seele und sprach immer zu: Ach es ist zu viel, es ist ja zu viel.

Das Männlein lächelte zufrieden und der Glückliche ging seines Wegs voller Freude und Dankbarkeit. Aber als er in die Nähe der Stadt kam, da dünkte ihm der Sack zu schwer, daß er gar nicht mehr wußte, wie er ihn erschleppen sollte und – so leid's ihm war, er mußte ein Paar große Pfefferkuchenmänner herausnehmen und auf den Weg legen. Es ging nicht mehr und der Sack ward immer schwerer und er war froh, als er endlich zu den Seinigen in die Stube trat. Jetzt kommt's Christkindel, rief er den jubelnden Kindern entgegen und warf ihnen den ganzen Sack entgegen. Aber da klirrte es ja und klimperte und heraus fielen lauter funkelnde Gold- und Silberstücke. Da fielen sie alle auf die Knie und dankten Gott, dann aber war großer Jubel und sie kauften sich Strietzel und Pfefferkuchen und Spielzeug so viel sie wollten und wurden reiche Leute und der Vater legte eine große Strumpfwirkerei an und ward ein angesehener Bürger. Am Krischaer Wäldchen aberließ er zur ewigen Erinnerung jene Betsäule errichten.

Quelle: Karl Haupt, Sagenbuch der Lausitz, Leipzig, Verlag von Wilhelm Engelmann,1862