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Das Zauberschloß auf dem Stromberge

  Büsching II. 206. L. Mag. 1838 S. 283.

Zu gewissen Zeiten war auf dem Stromberge ein wunderschönes Schloß zu sehen und deutlich beobachtete man dann aus der Ferne, wie die Bewohner daselbst ihr Wesen trieben. Niemand wagte sich dann in die Nähe des Berges oder gar in das Schloß selbst, jeder warnte den andern davor. Dennoch aber geschah es einst, daß ein Bürger aus der benachbarten Stadt Löbau, ohne daß er selbst davon wußte, jenes Schloß und seine Bewohner näher kennen lernte. Die Geschichte ist folgende:

Vor langer, langer Zeit war einst ein Schuhmacher aus Löbau in dem etwa zwei Meilen davon entfernten Städtchen Weißenberg zu Markte gewesen, wobei ihn sein Weg vor'm Stromberge vorbeiführte. Als er spät Abends wieder nach Hause zurückkehrte, verirrte er sich im Dunkeln in der Gegend des Berges. Lange schon ohne Weg und Steg im Finstern herumirrend gewahrte er endlich auf der Höhe jenes Berges den Schimmer eines Lichts. Ohne irgend etwas Unheimliches zu ahnen ging er darauf zu, staunte aber nicht wenig, als er bei mehrer Annäherung ein schönes, großes und erleuchtetes Schloß gewahrte, das ihm nicht im Geringsten bekannt war. Denn daß es das berüchtigte Strombergsschloß sein könnte, ahnte er entweder nicht oder er kannte auch die Sage davon gar nicht einmal. Froh, sich endlich aus seiner Verlegenheit helfen zu können, suchte er den Eingang, um dort sich eine Laterne zu borgen, mit deren Hülfe er seine Reise besser und bequemer zu beendigen gedachte. Ohne weitere Schwierigkeiten gelangte er in das Zimmer des Schlosses, welches erleuchtet war und erkannte darin zwei Herren.

Einer saß an einem Tische und schrieb eifrig, was ihm ein anderer, der mit verschlungenen Armen auf- und abging, in die Feder zu sagen schien. Letzterer redete den Schuhmacher in einem rauhen Tone an und fragte ihn mit kurzen Worten, was er wolle. Dieser erzählte nun seine Geschichte und trug ihm sein Anliegen vor, erhielt aber für jetzt blos die Antwort von ihm, daß er es sich vor der Hand gefallen lassen müsse, drei Tage und drei Nächte bei ihnen zu bleiben, und daß es ihm überlassen bleiben solle, sich selbst die Arbeit zu erwählen, die er während dieser Zeit bei ihnen verrichten wolle.

Der Schuhmacher aber, der so wenig zu dem einen als zu dem andern Lust bezeigte, konnte sich zu keiner bestimmten Arbeit entschließen; es ward ihm daher von jenen beiden Herren auferlegt, während seines Aufenthalts auf dem Berge Steine zu karren. So beschwerlich ihm auch dieses Geschäft sein mochte, so wagte er, aus Furcht einer möglichen gefährlichen Ahndung, es dennoch nicht, sich dessen zu weigern.

Endlich am Abende des dritten Tages entließen ihn jene beiden Herren seiner Arbeit wieder, gaben ihm nach seinem Wunsche eine Laterne und erlaubten ihm nach Hause zu gehen. Doch der Schuster, der womöglich gern einen Ersatz für die dreitägige Versäumniß in seiner Arbeit gehabt hätte, war hiermit nun noch nicht zufrieden, sondern er wagte es sogar, sich einen Lohn für die ganzer drei Tage lang treulich geleistete Arbeit auszubitten.

Auf vieles Zureden und Bitten endlich empfing er nicht mehr und nicht weniger als – einen Silberdreier und zwar mit der Bedeutung, daß er dadurch, ob es gleich nur ein Geldstück von sehr geringem Werthe sei, denn noch sehr glücklich sein werde, indem, so lange er dieses besitzen würde, es ihm nie an Gelde mangeln werde.

Hiermit zufrieden, verwahrte der Schuster diesen Dreier sorgfältig, beurlaubte sich dann von den beiden Herren und trat seinen Weg nach Hause an. Spät erst in der Nacht kam er heim und fand die Thür seines Hauses schon verriegelt und verschlossen; er klopfte daher mit aller Macht an und rief und schrie, damit seine Frau ihn hören und sobald als möglich einlassen möge.

Endlich aus dem Schlafe erweckt erschien diese, prallte aber mit einem lauten Schrei des Entsetzens zurück, als sie in dem Ankommenden ihren Mann erkannte, den sie schon längst für todt gehalten hatte. Denn anstatt daß er blos drei Tage weggewesen zu sein glaubte, war er nicht weniger als ein ganzes Jahr weggewesen, und in seiner Heimath hatte man angenommen, er müsse verunglückt sein, da er von dem damaligen Weißenberger Markte nicht zurückgekommen war.

Da er seinen Gedanken nach gar nicht lange abwesend geblieben, so war er mit der alten Ordnung der Dinge bald wieder vertraut, nur mit dem Unterschiede, daß er nun, seitdem der Heckdreier vom Stromberge in seinem Beutel wohnte und diesen immer von Neuem füllte, sich selbst nicht in jene Ordnung wieder hineinfügen wollte und anstatt, wie sonst, fleißig zu arbeiten, jetzt nur dem Müssiggange und Trunke sich ergab, weil er augenscheinlich bemerkte, daß er jenes nun nicht mehr nöthig habe, dieses ihm aber vergnügtere Tage gewähre. Der Trunk aber war wiederum die Ursache, daß er seinen Schatz einbüßte. Denn als er einst in einem starken Rausche seinen vollen Beutel hervorsuchte und seine Zeche bezahlen wollte, gab er aus Unachtsamkeit jenen glückbringenden Heckdreier aus und ward dadurch, daß er sich nun einmal an ein müssiges Leben gewöhnt hatte, zum Bettler.

Anmerkung: Der Stromberg ist eine heidnische Opferstätte (s. No. 21. Anmerkungen:), wo auch Zwerge hausen.

Quelle: Karl Haupt, Sagenbuch der Lausitz, Leipzig, Verlag von Wilhelm Engelmann,1862