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Das Dorf ohne Sperlinge

  Sing. Lus. XVI. 240.

Unweit Budissin liegt ein Dorf mit Namen Sorah, welches nach Wilthen eingepfarrt ist. Von diesem erzählen die Bewohner und ihre Nachbarn, daß es dort nie und nirgends Sperlinge giebt, welche leidigen ungebetenen Gäste doch sonst überall in der Erntezeit ihre Schmarotzermahlzeiten halten, wo nur immer Korn in Garben liegt oder gedroschen wird. Ja, wenn von ungefähr einer dieser Korndiebe sich nach Sorah verirrt hat, so leidet's ihn nicht allda, er muß wieder fort. Noch viel weniger hat sich jemals einer unterstanden, dort zu hecken. Und wie geht das zu und wo kommt das her? Von Zigeunern, sagen die Leute. Denn die Soraher haben einmal eine herumziehende Zigeunerbande, die Niemand hat aufnehmen wollen, beherbergt und ihnen alle Liebe erzeigt. Zum Dank haben diese Leute mit ihrer geheimen Kunst jene leichtfertigen und gefräßigen Vögel auf ewige Zeiten aus dem Umkreise des Dorfes verbannt.

Anmerkung: In der Kreuzkirche zu Dresden hat einmal ein lutherischer Pastor gegen die Sperlinge gepredigt, welche in großer Zahl in der Kirche hausten und nicht hinwegzubringen waren, da sie in des Teufels Diensten standen, um durch ihre Leichtfertigkeit und Geilheit die Gemeinde zu verwirren und zu zerstreuen. (Sing. Lus. l. c.)

Quelle: Karl Haupt, Sagenbuch der Lausitz, Leipzig, Verlag von Wilhelm Engelmann,1862