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Die Kerbemühle bei Marklissa

  L. Mon. Schr. 1793 II. 354. Samml. von Schön No. 9. Msc.

Zwischen dem Burgholze und der Viehweide ohnweit Marklissa stand sonst eine Mühle, die Kerbemühle genannt. Es ist aber schon sehr lange her, daß sie gänzlich verfallen ist, so daß man auch keine Spur mehr von ihr sieht. Ihr Untergang wurde durch den Geiz und die Habsucht des letzten Besitzers herbeigeführt. Dieser betrog nicht nur die Mahlgäste ganz erschrecklich mit dem Mehle, sondern wucherte auch unmenschlich mit seinem Gelde und kerbte den armen Leuten, die in der Noth zu ihm borgen kamen, oft mehr Zinsen an, als das Kapital betrug, hatte auch richtig halb Marklissa auf seinem Kerbholze. Aber er kriegte seinen Zahlaus. Hört, wie das kam!

Eines Abends, da es draußen regnete und stürmte und ein Wetter war, daß man nicht gern einen Hund hinausjagte, klopfte ein hübscher schmucker Müllerbursche an, sagte gebührlich seinen Willkommen und Handwerksgruß und bat um das Geschenk, wie auch um eine schlechte Lagerstatt und Nachtherberge. Da schnaubte ihn der geizige Müller an und wies ihm die Thüre, nachdem er ihm das Geschenk, welches er dem Burschen nach Handwerksgebrauche einmal nicht verweigern konnte, auf den Tisch hingeworfen hatte.

Der aber ließ das Geschenk liegen und sagte: Behaltet euer Geschenk, Meister! Ich mag nichts von euch; ich schüttle den Staub von meinen Füßen und gehe hinaus wieder in die finstere Nacht. Ihr werdet aber einst wünschen, daß ihr mich behalten hättet; denn auch ihr habt hier am längsten eure Herberge gehabt, und damit ging der schmucke Handwerksbursche zur Thüre hinaus und verschwand in der Finsterniß. Und denkt euch was geschah! Gleich des andern Morgens fanden sich in der Mühle eine große Menge Ottern ein, daß man sich ihrer nicht erwehren konnte. Wenn der Müller aß, so krochen sie auf den Tisch und langten mit in die Schüssel. Wenn er ging, um aufzuschütten, folgten sie ihm nach und schlangen sich um seine Beine. Wenn er sich ins Bett niederlegte, schlüpften sie mit hinein und ließen ihn nicht schlafen. Er mochte mit dem Schürbeil um sich hauen, mit Knütteln in sie hineinschlagen, sie stoßen oder treten, es half Alles nichts, er ward sie nicht los. So blieb ihm nichts Anderes übrig, als die Mühle zu verlassen, die nun leer und öde stand und nach und nach gänzlich verfiel.

Um 1750 standen noch die Trümmer des untern Stockes, von Ottern in großer Menge bewohnt; jetzt ist wenig mehr davon zu sehen.

Quelle: Karl Haupt, Sagenbuch der Lausitz, Leipzig, Verlag von Wilhelm Engelmann,1862