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Das herumirrende Stiefelpaar

  Segnitz I., 293. Gräve S. 38.

Im dreißigjährigen Kriege ging's auch in der Lausitz wild her und die Buttler'schen Dragoner1) waren eben nicht die letzten im Plündern, Rauben und Leuteschinden. Sie kamen auch einmal durch Lauban marschirt; da hatten's die armen Laubaner schlimm. Kommt auch ein recht verwegener Dragoner einem ehrlichen Schuster auf die Werkstatt gerückt und wollte neue Stiefeln haben. Die ihm nicht paßten, schmiß er dem Schuster an den Kopf und als endlich ein Paar gut genug waren, da gab er dem Schuster eine gar treffliche Auszahlung mit der flachen Klinge, daß der arme wehrlose Mann nur so schrie. That aber dabei auch einen Fluch und rief: Nun, so wollt ich doch, daß der Teufel die Stiefel regieren sollte, daß sie ewig herumirren müßten. Da hat aber der Dragoner nur dazu gelacht.

Nun wurde doch im selbigen Jahre, es war nämlich im Frühling Anno 1632 gewesen, bei Lützen die große Schlacht geschlagen. Da war mein Buttler'scher Dragoner auch dabei und auch die Laubaner Stiefeln; aber nicht lange, denn da ist eine schwedische Kugel gekommen und hat sie ihm sammt den beiden Beinen unter'm Leibe weggeschossen. Und da ist auch des Schusters Fluch in Erfüllung gegangen, denn die Stiefel mit den Beinen sind richtig ruhelos umhergelaufen und müssen gut marschiret sein, denn schon am dritten Tage nach der Schlacht, da haben die Laubaner gesehen, wie die Stiefel auf dem Steinberge umher gelaufen sind. Weil's aber Winterszeit war, wo nicht viel Leute im Freien sind, ist die Sache nicht recht beachtet worden. Aber viele Jahre später haben einmal die Fuhrleute an einem 9. November die Stiefel gesehen und die Sporen klingen gehört; ist auch ruchbar geworden, daß sie am hellen lichten Tage ein Paar Kinder umgerannt haben, so am Steinberge des Holzlesens halber sich aufgehalten. – Das ist die Sage von den wandernden Stiefeln.

Anmerkungen: Der Geist Stiefeli oder Stiefelireiter im Aargau erscheint ebenfalls den holzlesenden Kindern, (Rochholz S. 301, wo die Sage mit einem falschen Schwur bei Schöpfer und Richter in Verbindung gebracht wird). In beiden ist der letzte Grund eine Uebervortheilung. Der Schuh verwandelte sich aber schon frühe in ein Rechtssymbol für Auflassung von Gut und Erbe (Grimm, Rechtsalterth. 156., 379.) und der bei diesen Rechtsverhandlungen Uebervortheilte bekommt eben deswegen wiederum den Namen Stiefel, insofern er mittelst dieses symbolum traditionis betrügt.

Quelle: Karl Haupt, Sagenbuch der Lausitz, Leipzig, Verlag von Wilhelm Engelmann,1862


1)
Als Dragoner bezeichnete man ursprünglich berittene Infanterie, die ihre Pferde primär zum Transport, nicht aber für den Kampf verwendete. Im Laufe der Zeit entwickelten sie sich fast überall zur Schlachtenkavallerie. Quelle: Wikipedia