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Liebeszauber rächt sich

  Akten der Naturforsch. Gesellsch. zu Görlitz, Sektion für Alterthümer No. 103. Msc.

In Wittichenau war eine Jungfer, die wollte gern erfahren, wie ihr Zukünftiger aussehen würde. Um ihre Neugier zu befriedigen, machte sie Folgendes:

Am heiligen Weihnachtsabende deckte sie in ihrer Kammer einen Tisch und setzte Essen zurecht, aber ohne Messer und Gabel hinzulegen. Um Mitternacht that sich die Thüre auf, ein schmucker Bursch trat herein, setzte sich zu Tische, zog Messer und Gabel hervor und fing an zu essen. Als er fertig war, ging er ebenso stumm und gespenstig, wie er gekommen war, von dannen. Sein Messer und Gabel aber ließ er zurück. Das Mädchen freute sich über den schönen Bräutigam, vergaß aber Messer und Gabel auf das Flußwasser zu tragen, und steckte sie in ihre Lade.

Viele Jahre darauf nach der Hochzeit kommt endlich der Mann einmal zufällig über die Lade, findet das Messer darin und fragt ganz hastig: Wo hast Du das Messer her? Nun, spricht sie, weißt Du nicht mehr, wie Du am heiligen Abende bei mir gegessen hast und Messer und Gabel liegen ließest. Was? ruft er aus, bist Dus, die mich damals so geplagt hat? Nimmt das Messer und sticht es ihr durchs Herz.

Anmerkungen: Aehnliche Zauberei wird noch heute vielfach am Andreasabende, in der Weihmacht oder zu Sylvester von dem Mägden getrieben, besonders aber zu Weihnacht. Am Andreasabende legt die Neugierige einige Körner Hafer mit einigen Körnern Lein vermischt in ihr Bett und in alle vier Winkel der Kammer. Dazu spricht sie:

„Eas Keas,
Mein lieber Sankt Andreas,
Ich sä, ich sä Haberlein,
Daß mir mein Schatz allerliebst erschein
In der That und in der Wahrheit,
Was er um und an sich hat.“

Dann kommt der Zukünftige in leibhaftiger Gestalt zur Thüre herein. – In den meisten Fällen ist es Vorschrift, sich dabei nackend auszuziehen.

Quelle: Karl Haupt, Sagenbuch der Lausitz, Leipzig, Verlag von Wilhelm Engelmann,1862