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Martin Pumphut

Martin Pumphut, der wandernde Müllerbursch, ist so eine Art Tyll Eulenspiegel, von dem man sich nicht nur in der Lausitz, sondern auch im sächsischen Voigtlande wunderbare Geschichten erzählt.

Sein Name rührt her von einem großen spitzen Hut, den er zu tragen pflegte und der ihn überall kenntlich machte. Manche nannten ihn auch Graumännchen, weil er immer einen grauen Kittel trug.

Martin Pumphut ist geboren in dem kleinen Dörfchen Spuhle bei Hoyerswerda. Bald nach seiner Geburt verschwand er einmal aus der Wiege, in der man statt seiner eine große, aber unschädliche Schlange fand. Die erschrockenen Eltern eilten sofort in alle Himmelsgegenden, um das Knäblein zu suchen. Als sie ihn nirgends fanden und verzweiflungsvoll nach Hause kamen, lag er wieder frisch und gesund in der Wiege.

Als er sechs Jahr alt war, zog eine Zigeunerbande durch das Dorf. Eine Zigeunerin, welche bei seinen Eltern bettelte, erblickte kaum das Kind, als sie wahrsagend ausrief: Martin würde weit in der Welt herumkommen, zwar in niederem Stande bleiben, aber viel Reichthümer erwerben, großes Aufsehen machen und endlich durch ein Frauenzimmer um's Leben kommen.

Der Knabe wuchs nun heran, lernte außer seiner wendischen Muttersprache auch noch die deutsche und zeichnete sich bald durch Schlauheit und Neigung zu lustigen Streichen vor seinen Altersgenossen aus. Auch will man Nachts, wenn er schlief, sonderbare Gestalten über seinem Haupte schweben gesehen haben, und wo er im Dunkeln ging, umhüpften ihn Flämmchen.

Als er erwachsen war, lernte er die Müllerprofession und führte von nun an ein lustiges Wanderleben, indem er immer dem Wasser nach von Mühle zu Mühle ging. Wo es ihm gefiel, da blieb er, und für einen Schnaps und ein Stück Brod machte er den Leuten allerlei ergötzliche Schwänke und spaßige Dinge vor. Nur wo man ihm absichtliche schlechte Kost vorsetzte oder ihn gar hungern ließ, spielte er den Leuten arge Streiche. Sonst war es ein gar harmloser Kerl.

Zu seinen übernatürlichen Künsten gehörte, daß er auf papiernen Kähnen die Flüsse passierte; Elbe, Saale und Mulde hat er auf diese Weise überschritten. Zuweilen ritt er auf einer großen Heuschrecke durch die Luft. In Budissin zerschnitt er einen Mühlstein, was man noch heute daselbst in der großen Mühle abgebildet sehen kann.

Bei Dresden setzte er einmal bei großer Windstille alle Windmühlen in Bewegung, indem er durch ein Nasenloch blies, während er das andere zuhielt.

Als er durch Volkersdorf wanderte, zimmerte man eben eine Mühlwelle. Er bemerkte im Vorübergehen, daß sie ja viel zu kurz sei, aber man lachte ihn aus. Bald aber überzeugte man sich von der Wahrheit seiner Bemerkung, und als er wieder vorüberkam, bat ihn der Müller um Rath und Hülfe. Da dehnte mein Pumphut einfach die Mühlwelle aus, wie Brezelteig und setzte so die fehlende Elle zu.

Zu Heiligenbeil schleuderte er seine Axt an den Kirchturm, wo sie noch heute zu sehen ist.

In Leipzig ließ er im Gasthofe zum goldenen Siebe am hellen Tage zur Meßzeit eine Menge Hasen aus dem Kacheltopfe heraus- und wieder hineinspazieren.

Den Müllern, die ihm das übliche Geschenk verkürzten oder verweigerten, leitete er das Wasser ab. So machte er es z. B. mit einigen Saalmüllern. Wer ihn freundlich aufgenommen hatte, dem fehlte es nie an Wasser auf der Mühle.

Zu Wallengrün im Voigtlande zauberte er alle Fliegen, die im Zimmer waren, in seinen Hut, um ungestört essen zu können.

Einst wandert er ermüdet auf der Landstraße einher. Da kommt ein Roßtäuscher mit Pferden geritten. Laß mich ein Stück mitreiten, Kamerad, bittet ihn Pumphut. Aber der große Kerl hört gar nicht auf die Bitte des Ermüdeten. Dafür fand er am nächsten Morgen im Stalle statt seiner Pferde - Strohwische.

Lange Zeit hielt er sich beim General Sybilski auf. Dieser warf einst schwarze Haferkörner in den Kacheltopf, welche sich auf der Stelle in ein Fußvolk verwandelten, herauskletterten, sich auf dem Schloßhofe versammelten, manövrierten, sich wieder in ihre kupferne Kaserne begaben und als schwarze Haferkörner darin lagen. Pumphut langte aus einer am Fenster stehenden Mulde einige Erbsenkörner heraus und warf sie ebenfalls in den Kacheltopf, welchem sofort eine ganze Schwadron vollständig equipierte Reiter entstiegen. Allein da er Sybilski's Worte nicht wußte, vermochte er sie nicht wieder in den Kacheltopf zu bringen, vielmehr setzten sich ihre Klingen auf seinem Buckel in unangenehme Bewegung, bis ihm der General zu Hülfe kam, der sie sofort Kehrt machen ließ, dahin wo sie hergekommen waren.

Uebrignes soll Martin Pumphut auch früher schon zu Hildesheim sich als der Geist Hütchen gezeigt, auch dem Herzog von Friedland, Albrecht von Wallenstein, als graues Männchen wesentliche Dienste geleistet haben und endlich mit einem reizenden Frauenzimmer unter Hinterlassung jenes berüchtigten Hutes aus einem Gasthofe zu Paderborn zu Ende des siebenjährigen Krieges verschwunden sein.

Anmerkungen:

1. In der Lausitz spielen Mühlen und Müller eine auffallend bedeutende Rolle. Sie kommen wiederholt mit Nixen und Schlangen und vor Allem mit dem Teufel in Berührung. Ist es nur die hervorragende Stellung, die auf dem Lande der Müller und die Mühe, die oft ein halbes Gasthaus ist, einnehmen? Mahlen hat eine mystische, erotische Bedeutung. Bei Theocrit ist uv/og = membrunn femininum. Am Feste der jungfräulichen Vesta standen in Rom alle Mühlen still. (Ovid. Fast. 6, 310.) Apollo und Zeus führen den Beinamen uv/avg. – Die wendische Braut muß, während sie von ihren Freundinnen zur Hochzeit geschmückt wird, auf einem Mehlfasse sitzen. Werden die Müller vielleicht als Wasserpriester betrachtet?

2. Der Ofentopf wird wiederholt zum Zauberkessel (s. No. 218. u. 219.). Er giebt auch Orakel. Mädchen ziehen sich am Weihnachtsabende nackend aus und lauschen am Ofentopfe. Das Geräusch, das sie darin hören, je nachdem es dem Hämmern, Sägen u. s. w. gleicht, ist prophetisch für den Stand des Zukünftigen. Dies ist ein Ueberrest vom heidmischen Feuerkultus. Es wird vor dem Ofen geknieet, es wird ihm geopfert, wie einst dem Moloch. (Daumer, die Geheimnisse des christl. Alterthums 1847 I. 19. Grimm, Mythol. l. S. 298.) In einem altdeutschen Lustspiele heißt es: Kommt, wir wollen vor dem Ofen knieen, vielleicht erhören die Götter unser Gebet. Andere Beispiele vom Ofenkultus bei Friedrich, Symbol. u. Mythol. der Natur S. 85. Bekannt ist der Ofen als Hexenweg. Ueber die Schlange in der Wiege, die hier die Rolle eines Wechselbalgs spielt, vergl. No. 82. u. N. L. Mag. 1860, Schlangensagen. Der Hut ist wie der des Fortunatus mehr als eine bloße Nebelkappe.

Quelle: Karl Haupt, Sagenbuch der Lausitz, Erster Theil: Das Geisterreich. Verlag von Wilhelm Engelmann, Leipzig, 1862, Nr. 220, S. 185-187.