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Die Pestgrube zu Tormersdorf

  Sammlung von Schön No. 23. Msc.

Als in uralter Zeit die Pest in der Umgegend von Rothenburg weit und breit wüthete und nur wenige Menschen am Leben blieben, verschrieb man aus dem nahen Böhmerlande einen berühmten Zauberer, der die Seuche beschwören und vertreiben sollte. Dieser kam an und ließ an dem Zechberge bei Tormersdorf eine große Grube graben und mit Steinen ausmauern. Hierauf erhob er seinen gewaltigen Zauberstab, trat zu der Oeffnung der Grube und fing an die Pest durch seine Beschwörungsformeln an sich heran zuziehen. Wie eine blaue Wolke kam es nun von allen Orten der Umgegend herangezogen und verschwand in der Grube. Nachdem er noch angeordnet, daß Niemand jemals die Grube wieder öffnen sollte, sank er selbst hinein und man sah nichts mehr als eine Vertiefung des Erdbodens, welche noch heute vorhanden ist und die Pestgrube genannt wird.

Anmerkungen:

1. In dem ehemals von Wenden bewohnten Voigtlande denkt man sich die Pest in Gestalt einer daher ziehenden Wolke. Es ist der schwüle Nebel, der Seuchen voran zieht. Zu Erbach wurde sie in die Sakristei der Stadtkirche eingemauert. (Vgl. Grimm, Mythol. S. 1 135.) Zu Conitz in Preußen wurde sie in ein Loch in einer Linde gebannt. (Tettau und Temme S. 222.) Daran erinnert die von Magnus (Chronik von Sorau S. 19) mitgetheilte Nachricht, daß man 1538 auf die Pestgrube zu Sorau, die zwischen der Hauptkirche und der Schule gegraben wurde, zum ewigen Angedenken eine Linde pflanzte.

2. Bis auf den heutigen Tag werden in der Lausitz „Bannmänner“ aus dem benachbarten Böhmen verschrieben; besonders wenn es gilt, plötzlich krank gewordenes Vieh zu kuriren, d. h. von der ihm angethanen Beherung zu befreien. Und zwar ist das nicht blos Sitte bei den Bauern, – man weiß selbst von Pfarrfrauen, daß sie zu diesem Mittel ihre Zuflucht nahmen. Die Kuren dieser Bannmänner sind verschieden. Bei einem Bauer in der Nähe von Görlitz wurde unter unheimlichen Ceremonien ein Brei gekocht, in einem Topf gethan und auf dem höchsten Gipfel einer in der Nähe des Gehöftes befindlichen Fichte gehangen. Der Pastor des Ortes konnte leider nicht erfahren, woraus der Brei bestand.

Quelle: Karl Haupt, Sagenbuch der Lausitz, Leipzig, Verlag von Wilhelm Engelmann,1862