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Der Futterschneider und die unheimlichen Gäste

  Frenzel, hist. natur. III. 1443. msc.

Anno 1554 ist das Sprichwort wahr befunden worden: Man darf den Teufel nicht an die Wand malen, er kommt wohl ungebeten oder läßt sich gar leicht erbitten.

Ein Futterschneider zu Budissin, wohnhaft in der sogenannten A–kerbe vor der äußersten Lauengasse, dessen Ehefrau eine Schleierweberin gewesen, ist am dreizehnten September zur Kirmeß nach Doberschütz gegangen, wo man dazumal gutes Bischofswerder Bier schenkte, hat sich daselbst weidlich bezecht und erst spät in der Nacht mit etlichen Gesellen auf den Heimweg begeben.

Es sind lustige und beherzte Brüder gewesen, und da ihr Weg sie zufällig am Hochgerichte vorüber geführt, wo gerade vier Gehenkte im Winde gebaumelt und mit den Gebeinen an einander gerasselt haben, sind sie nicht etwa abseits gewichen, sondern vorwitziglich unter den Galgen getreten, um die armen hangenden Sünder zu verspotten. Der Futterschneider vornehmlich bietet ihnen einen guten Abend, fragt höflichst nach ihrem Befinden, nennt sie seine lieben dürren Brüder und ladet sie ein, mit ihm nach Hause zu gehen, er hätte noch einen kalten Braten, den sollten sie ihm verzehren helfen. Darauf wandert die Gesellschaft fort.

Der Futterschneider kommt nach Hause. Wen findet er in seiner Stube? Die dürren Brüder alle viere; da sitzen sie leibhaftig mit ihren Ketten am Halse hinter dem Tische und fordern die versprochene Mahlzeit. Hu, wie erschrak da der gastfreie Futterschneider! wie gerne wäre er die unheimlichen Gäste wieder los geworden! Die aber, nicht faul, erheben sich, reißen das Garn vom Webestuhle, binden ihrem Wirthe die Füße, hängen ihn mit dem Kopfe unten über den Tisch und verschwinden. Sein Geschrei weckt glücklicherweise bald seine Frau und die Nachbarn, welche herbei eilen, ihn aus seiner unbequemen Lage zu erlösen; er hat aber keinen Galgenvogel wieder zu Tische geladen.

Anmerkungen: Aehnliche Sagen aus Herzogenbusch bei Wolf (D. S. No. 116.) und fast ganz dieselbe, nur von einem Edelmanne, in Simon Grunau's Chronik, Tract. XIX. c. 6. (Kloster XII. S. 424).

Quelle: Karl Haupt, Sagenbuch der Lausitz, Leipzig, Verlag von Wilhelm Engelmann,1862