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Das versunkene Schloß bei Kosel

  Sammlung von Schön. No. 16. Msc.

An dem Fußsteige, welcher von Trebus nach Kosel führt, ist hinter dem Busche ein Sumpf. Wenn man in stillen Nächten dort vorüber geht, vernimmt man nicht selten ein leises melodisches Singen und Klingen. Horcht man genauer hin, so kann man deutlich die schrillenden Töne der wendischen Geige und der Tarakawa unterscheiden, welche den Gesang eines bekannten wendischen Tanzliedes begleiten. Diese Nachtmusik rührt von den Geistern einer lustigen Gesellschaft her, welche dort mitten in ihrem wüsten Jubel einst versank. Denn an der Stelle stand vor Zeiten ein schönes, großes Schloß, in welchem ein Raubritter hausete, welcher nicht blos nach den Kauf mannsgütern der ehrsamen Bürger in den Sechsstädten Verlangen trug, sondern auch nach ihren schönen Töchtern lüstern war. Stets hielt er eine Anzahl derselben gefangen und belustigte sich mit ihnen durch Gesang, Spiel und Tanz und andern Kurzweil.

Eines Tages ging es auf der Burg wieder einmal recht wild und lustig zu. Trunkenen Muthes kannten der Junker wie seine Zechgenossen kein Maaß noch Ziel ihrer fleischlichen Lust. Alles drehte sich mit den Buhldirnen in üppigen Tänzen unter Kosen und Scherzen im Saale umher. Da zog ein schweres Gewitter am Himmel herauf; die wilde Gesellschaft aber achtete dessen nicht. Unter Donner und Blitz sank das Schloß langsam immer tiefer und tiefer; aber lauter nur tönte die Musik und wilder rasete der Tanz. Als das erste Stockwerk schon in der Erde stand, sprangen sie jauchzend ins zweite hinauf, als auch dieses nicht mehr gesehen ward, diente der Boden zum Tanzsaal. So tanzten und sangen und jauchzten sie fort, bis die Erde sich über ihnen schloß und ein Sumpf die Schandstätte zudeckte.

Quelle: Karl Haupt, Sagenbuch der Lausitz, Leipzig, Verlag von Wilhelm Engelmann,1862