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Die nächtlichen Säemänner

  Görlitzer Wegweiser 1834 S. 70. 

Es gingen einmal zwei Männer von Moys nach Schönbrunn. Sie hatten sich im Kretscham verspätet, und als sie auf das Feld hinauskamen, schlug es eben Nachts zwölf Uhr. Da hörte auf einmal der Sturm auf, der bis dahin furchtbar gewüthet hatte, die Wolken zertheilten sich und der Mond trat leuchtend hervor. Da erblickten sie etwas ganz Sonderbares. Zwei Säemänner in weißen Kleidern schritten rüstig über die Felder hin und säeten fleißig, am Rande des Ackers aber standen zwei volle Säcke Getreide.

In dem Wahne, daß diese Säemänner ein Paar überfleißige Landwirthe wären, welche die milde Witterung und den schönen Mondschein zur Bestellung ihres Feldes benutzten, rief einer der Wanderer ihnen zu: „He, Nachbarn, nur nicht zu fleißig!“ Aber er hatte kaum die Worte aus dem Munde, so waren die beiden Säemänner verschwunden. Nur die Säcke standen noch auf dem Raine. Da sagte der eine zum andern: „Bruder, die Kerls sind weggelaufen, wir wollen das Feld vollends besäen.“ Als sie aber zu den Säcken kamen und hinein griffen, zerstoben auch diese in Rauch und Dampf nnd zwei blaue Flämmchen zuckten aus der Erde.

Quelle: Karl Haupt, Sagenbuch der Lausitz, Leipzig, Verlag von Wilhelm Engelmann,1862