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Der unruhige Geist

  N. L. Magazin 1837 S. 202. 
  O. u. N. L. Chronik S. 111. 
  Gräve S. 94.

Auf den Litschener Teichdämmen steht eine alte hohle Eiche. Bei derselben hörte man öfters ein ängstliches Hülferufen, konnte aber nie etwas sehen. Einst ging ein Mann aus Litschen dort vorbei, und da er beherzt war, antwortete er dem Rufe und fragte, was er helfen solle? Das unsichtbare Gespenst sagte, es sei eine Seele, die nicht zur Ruhe kommen könne, aber er könne sie zur Ruhe bringen. Morgen um 12 Uhr solle er nur mit der ganzen Schule, dem Küster und dem Geistlichen an die hohle Eiche hinziehen, gleich als wollten sie einen Todten mit einem Leichensermone bestatten. Das geschah zwar, aber die Uhren waren alle stehen geblieben und nach der Sonne konnte man sich nicht richten, weil ein trüber Tag war, man verpaßte also die rechte Zeit und kam zu spät an. Da fiel das Gespenst über sie her, hockte einigen auf, warf andere in das Wasser und Alle ergriffen mit Schrecken die Flucht.

Lange Zeit hat es noch alle Abende unter den Fenstern des Bauern gerufen und ihn heraus verlangt, er ist aber nie gekommen, und endlich hat es der Geistliche beschworen und vertrieben. Dieses Gespenst hat, wenn Jemand von 11–12 Uhr mit einer Laterne an der Eiche vorbeigegangen ist, gewöhnlich das Licht darin ausgelöscht; öfters hat es aber auch die Vorübergehenden dadurch zu erschrecken gesucht, daß es eine solche Menge Eicheln abschüttelte, daß man bis an die Knie darin waten mußte. Ist man aber des andern Morgens zur Eiche gekommen, so hat man auch nicht eine einzige Eichel gefunden.

Quelle: Karl Haupt, Sagenbuch der Lausitz, Leipzig, Verlag von Wilhelm Engelmann,1862