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Der Alex zu Horka

  N. L. Magazin 1839 S. 359.

In einer alten Kammer in der Kirche zu Horka findet sich ein ältes, roh aus Holz geschnitztes Heiligenbild, sitzend, das Haupt mit der Hand stützend, dem Alt und Jung den unerklärlichen Namen „Alex“ beilegen. Dieses Bild ist ein Gegenstand der Furcht und des Schreckens für Viele.

Einst ging eine Magd des Kantors, um Gras auf dem Kirchhofe zu schneiden, vor jener dunklen Kammer, in der sich das gefürchtete Bild befindet, vorüber. Leichtsinn und Uebermuth verleiteten sie zu der verwegenen Aufforderung: „Alex, komm, hilf Gras schneiden!“ Urplötzlich bekommt sie von unsichtbarer Hand eine sehr fühlbare Züchtigung.

In einer stürmischen Nacht um die Zeit der Geisterstunde sah einst der Nachtwächter die verrufene Gestalt am Kirchhofthore.

Anmerkungen: Der Name Alex scheint schier unerklärlich. Holscher im N. L. M. vermuthet dahinter einen heiligen Alexius. Dem scheint aber zu widersprechen, daß das Bild einst auf der Flucht von der Kirche betroffen wurde. Dies ist ein entschieden heidnischer Zug. Wie wenn es eine Erinnerung wäre an jene unbekannte Gottheit der Semnonen, von der Tacitus sagt: numini nomen Alcis (sing. nach Grimm alx) Germ. c. 43? Diese dunkle Stelle läßt zwei Erklärungen zu. Erstens: numen bezieht sich auf eine wirkliche persönlich gedachte Gottheit. Dafür spricht, daß Tacitus dieselbe mit dem Dioskurenpaare Castor und Pollux vergleicht. Zweitens: numen bezieht sich auf den heiligen Hain, alt hochd. alhs, der selber wie eine Gottheit verehrt wurde, und der Vergleich des Tacitus beruht auf einem Irrthume. (So Grimm.)

Zu der ersten Meinung wäre anzuführen: al ist die allgemeine Stammsilbe für ein hohes Heiligthum, Altar, Tempel, heiliger Hain. Die Urbedeutung der Silbe al ist die der Höhe, der älteste Gottesname Elohim ist davon abzuleiten, al = Höhe, el = Kraft, alles Hohe ist stark. Elohim wird übersetzt die Starken oder die Kräfte. Der älteste Gottesdienst war Höhendienst. Die späteren Juden schafften ihn ab, aber die Israeliten behielten ihm bei, daher ist in ihrem Gottesnamen Allah das ursprüngliche, sozusagen noch naturalistische und pantheistische al geblieben. Aber auch durch Hinzutritt des c und resp.x wird die allgemeine Bedeutung specialisirt in die der Kraft. (Vergl. Alcon, Alcmene, Alexander u. s. w.) Alcmene gebar aber allerdings ein Zwillingspaar, Heracles, als Sol invictus auch Alcaios, der Starke genannt, und den Tag darauf den Iphicles. (Dem römischen Geschichtsschreiber lag es freilich nahe, bei einem Zwillingspaar zuvörderst an die Dioskuren zu denken.) Wie wenn dies eine Bestätigung der Nachricht wäre, daß Heracles, d. i. sein Kultus, auch zu den Deutschen gekommen sein soll? (vergl. die Sage von der Isis). Der Singular dürfte weniger auf die Mutter Alcmene, als auf den ältesten Bruder Alcaios zu beziehen sein, aus dessen Namen ein dem Zwillingspaar gemeinsamer sich gebildet hätte; der Alex in unserer Sage kann eine Erinnerung daran sein.

Zu der zweiten von Grimm aufgestellten Meinung vergleiche man unsere Sage No. 1., wo allerdings dem heiligen Semnonenhaine Ehren wie einem persönlichen Gotte erwiesen werden, und die Anmerkung 4. zu der Sage von den Heimchen (No. 42.), wo ausgeführt ist, wie im Worte Hain die Begriffe Wald, Götzenbild, Tod, Zwerg zusammentreffen. Ebenso kann ganz gut im Namen Alex der Begriff des Götzen und des Waldes sich zu einer Anschauung vermischen. Wie die Bernstädter sagen: im Burgsberge liegt ein goldemer Haim (Götzenbild), so nennen die Horkaer die von ihnen für ein Götzenbild gehaltene Figur mit jenem uralten Namen Alx oder Alex = alhs = Hain. Diese Erklärung gewinnt an Wahrscheinlichkeit, wenn nachgewiesen werden kann, daß dieser alte Name in der Lausitz noch anderweitig anzutreffen, und ich bin in der That nicht abgeneigt, die Sage von dem heiligen Haine bei Elster am Elsterflusse dahin zu deuten, daß der Name Elster (wendisch halstrow) eben weiter nichts bedeutet, als heiliger Hain (Vergl. No. 15. und No. 145.).

Eine dritte Spur dieser alten heiligen Wurzel dürfte in den Ortsnamen Oelsa, Langen Oelb, Oehlisch (mit einem alten Opferplatze) und in dem Namen des Oelberg es bei Königshain zu suchen sein. Auch das Flüßchen Oelse im Laubaner Kreise hat wohl dieselbe Bedeutung wie die Elstra. Prof. Dr. Anton hat in einem Schulprogramme ebenfalls eine Erklärung jener dunklen Stelle des Tacitus gegeben. Er erklärt die Gotfheit für eine slavische, findet das Zwillingspaar wieder in dem slav. Worte holzi, Jünglinge, und in der lithauischen Sage von einem schamaitischen Brüderpaare, welches sein Volk aus der Sklaverei befreite und denselben Namen holzi führte. Den heiligen Hain verlegt Anton ohne eine lokale Berechtigung dazu in die Königshainer Berge. Es käme darauf an, ob die Etymologie einen Zusammenhang des wendischen Wortes und des schamaitischen Namens mit der von Grimm zuerst aufgestellten Bedeutung der Silbe alhs nachweisen könnte.

Quelle: Karl Haupt, Sagenbuch der Lausitz, Leipzig, Verlag von Wilhelm Engelmann,1862