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Der schwarze Hund in Görlitz

  Mündlich. Akten der Naturforsch. Gesellschaft, Sektion für Alterthümer No. 4. Msc.

In Görlitz war bis vor wenigen Jahren an der Ecke der Jüdengasse und Büttnergasse im Pflaster ein großes Abzugloch. Das war zur Hälfte mit einem großen viereckigen Steine bedeckt und hieß im Volksmunde das Hundeloch, und der daneben wohnende Bäcker hieß davon der Hundebäcker. Das kommt daher: In der Weihnachtsnacht zwischen zwölf und ein Uhr spukt in Görlitz ein großer schwarzer Hund. Der kommt aus einem ähnlichen Wasserloche am Jakobshospital heraus, geht zum Frauenthore hinein bis an jenes Loch, wo er verschwindet, aber nach einiger Zeit wieder zum Vorschein kommt, um seinen Rückweg anzutreten. Manche sagen, er nehme seinen Weg durch die Verräthergasse, und Viele, die ihn gesehen haben, ver sichern, daß er nur drei Beine habe.

Wegen dieses Hundes ließen die Stadtsoldaten am Frauenthore allemal in der Weihnachtsnacht das Pförtchen auf, weil sie sich fürchteten, ihn in seinem Wege zu verhindern, und es war dies ein Geheimniß unter den Stadtsoldaten, in das jeder Rekrut erst dann ein geweiht wurde, wenn er einmal die Weihnachtswache hatte. Es war aber einmal ein beherzter Kerl unter ihnen, der fürchtete sich vor dem Teufel selber nicht, spottete über die Erscheinung und beschloß dem Hunde entgegen zu treten.

Es war ein sehr stürmischer Weihnachtsabend. Die andern Soldaten blieben in der Wachtstube, er aber schloß sorgfältig die Pforte und stellte sich mit aufgestecktem Bajonett an der inneren Seite desselben auf. Kaum hatte es zwölf Uhr geschlagen, da kam der Hund groß, schwarz und zottig, und als er das Thor nicht geöffnet fand, schüttelte er sich zornig und machte so große feurige Augen, daß es erschrecklich anzusehen war. Plötzlich aber setzte er mit einem gewaltigen Sprunge über das hohe Gitter hinweg. Die Soldaten in der Wachtstube hörten ein furchtbares Schnauben und Poltern, dann war Alles still. Wie sie endlich hinaus gehen, finden sie ihren Kameraden leblos am Schilderhause. Seine Flinte aber war zusammen gedreht wie eine Schraube. Als der Soldat erwachte, erzählte er, was ihm begegnet. Er ist aber nicht wieder gesund geworden und schon nach drei Wochen gestorben.

Quelle: Karl Haupt, Sagenbuch der Lausitz, Leipzig, Verlag von Wilhelm Engelmann,1862