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Der Nachtjäger bei Schwerta

  Nach Schön.

Anderthalb Stunden südlich von Marklissa liegt neben der Straße nach Schwerta der sogenannte schwarze Teich. Dort hat der Nachtjäger oft sein Spiel mit denen getrieben, die sich zufällig Nachts unterwegs be fanden.

Ein Bauer aus Schadewalde hatte in Schwerta eine Kuh gekauft, sich aber in der Schänke verspätet, so daß er erst spät des Nachts Schwerta verließ. Beim schwarzen Teiche angekommen, ließ er die Kuh ein wenig weiden. Gleich war der Nachtjäger da und ritt mit seinem Jagdgefolge immer um die Kuh herum. Es war ein greulicher Lärm. Mehr als zwanzig Hunde hetzten im Kreise umher, sie hatten große Schellen am Halse und kläfften und heulten so laut, daß dem armen Bauer Hören und Sehen verging. Erst als der Morgen anbrach, verschwand der Spuk.

Anmerkungen: Der wilde Jäger jagt mit besonderer Vorliebe Rinder, Kuhn (Haupt’s Zeitschrift VI. S. 118) findet überhaupt das Original der Sage vom wilden Jäger in dem Raube der Kühe Indras, denen dieser Luftgott nun nebst der Götterhündin Sarama nachjagt, jener indischen Mythe, die auch das wendische Märchen „die verschlafene Frau und ihr starker Sohn“ (s. d. Märchen) in wunderbarer Frische enthält. Wodan ist der nordische Indra und das wilde Heer eine Personifikation des Sturmwindes. Wer hätte gedacht, daß sich eine von Indras Kühen bis nach Schadewalde verlaufen, und wer merkt nicht, welche Unwahrscheinlichkeiten das Volk in obiger Sage zusammenkünstelt, um den Rest des alten Mythus, der im Hintergrunde des Volksgedächtnisses dämmert, in Scene zu setzen?

In Norwegen treibt Frau Hulda, der weibliche wilde Jäger, ganze Heerden grauer Kühe (die Regenwolken) in die Wälder (Nork, Myth. d. Sagen S. 37). Nork theilt eine solche Kuhjagd aus dem Hannöverschen als eine Rarität mit (l. c. S. 49) und Runge erzählt, ohne die Bedeutung dieser Kühe zu kennen, wie der wilde Jäger Türst auf dem Pilatusberge Kälberjagden anstellt. (Mittheilungen der antiquar. Gesellsch. in Zürich No. XXIII. 1859.) Diese Kühe sind aber die Sonnenkühe, deren Wiedereroberung den Anfang der warmen Jahreszeit bedeutet.

Quelle: Karl Haupt, Sagenbuch der Lausitz, Leipzig, Verlag von Wilhelm Engelmann,1862