<<< vorherige Sage | Vierte Abtheilung: Spukgeister- und Gespenstersagen | nächste Sage >>>

Der Nachtjäger zu Tormersdorf

  Sammlung von Schön No. 29. Msc.

Wenn der Nachtjäger mit seiner wilden Meute durch die Luft zieht, soll man ihn ja nicht stören oder gar erzürnen, sonst wirft er ein Stück Aas herab, das nur durch ihn selbst wieder abgeholt werden kann oder mit Hülfe des Scharfrichters verbannt werden muß. Das beste Mittel, das Aas los zu werden, ist, daß man ihn nachträglich um Salz zum Kochen des Fleisches bittet. Weil aber dieses zu bringen nicht in seiner Macht steht, so holt er freiwillig das Aas wieder zurück.

In dem Vorwerke der „niederen Häuser“ zu Tormersdorf hielt der Nachtjäger seinen regelmäßigen Durchzug. Der Großknecht des Vorwerkes sah ihn oft von seiner Dachkammer aus vorüber ziehen. Das eine Mal ruft er dem Nachtjäger zu, er solle ihm ein Stück Fleisch geben. Sogleich wirft ihm der Nachtjäger ein Aas zum Dachfenster hinein. Das wird nun der Hausknecht mit aller Mühe nicht wieder los. Verbrennen, vergraben, ins Wasser werfen, Alles hilft nichts. Es bleibt ihm nichts übrig, als beim nächsten Durchzuge des Nachtjägers ihm zuzurufen, er solle sich nur sein Fleisch wieder mitnehmen. Dies thut auch derselbe; giebt ihm aber eine tüchtige Ohrfeige mit den Worten: Künftig laß mich in Ruh, sonst geht es Dir noch schlimmer.

Anmerkungen: Anderweitig ist es bestimmter: eine Pferdelende (Reminiscenz an den Odinskultus), vergl. Kuhn, märkische Sagen No. 494., Müllenhofs Lauenb. Sagen No. 4., Schlesw. Sagen No. 487. Auch in Fünfbergen im Schleswigschen zeigt man solche bestimmte Häuser, wo der wilde Jäger durchzieht (Schlesw. Sagen No. 495.).

Quelle: Karl Haupt, Sagenbuch der Lausitz, Leipzig, Verlag von Wilhelm Engelmann,1862