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Der tolle Junker

  Mündlich aus Zittau. N. L. Mag. 1832 S. 345.

Es war einmal ein neugieriges Kind, dem hatten die Leute vom tollen Junker oder wilden Jäger erzählt, wie er des Nachts durch die Lüfte ziehe mit großem Jagdgefolge, und wie den nächtlichen Gesellen allen der Kopf nach hinten stehe. Das hat das neugierige Kind zu sehen begehrt, und als einst in einer stürmischen Nacht der tolle Junker wieder vorüber zieht, da hat es sich vor Neugierde nicht halten können, und ist aus dem Bettlein gesprungen und ans Fenster geeilt, um die Menschen mit den umgedrehten Köpfen zu sehen. Als nun die wilde Jagd mit großem Lärm am Fenster vorüberzieht, da erwacht auch die Mutter, vermißt das Kind, eilt nach dem Fenster, aber – zu spät. Mit verdrehtem Kopfe und starren Augen hing das Kind todt am Fenster. Der tolle Junker hatte ihm den Hals umgedreht.

Anmerkungen: Die Sage wird in Verbindung gebracht mit dem 1709 zu Zittau verstorbenen Rathsherrn Dr. J. Chr. Meyer (Vergleiche Sage vom gespenstischen Rathsherrn zu Zittau), wohnhaft im Eckhause zwischen dem Markte und der Kohlgasse. Derselbe hatte sich bei Einführung der Accise viele Härten erlaubt und das Volk erzählt sich, der Teufel habe ihm den Hals umgedreht, ja man sehe noch heute auf seinem Grabstein in der Kreuzkirche Spuren von Teufelskrallen. Derselbe soll jede Nacht um 12 Uhr sich aus seinem Grabe erheben und auf einem Wagen, von schwarzen Rossen gezogen, mit auf den Rücken gedrehtem Kopfe durch die Straßen der Stadt jagen; wer ihn erblickt, der ist dem Tode verfallen.

Anderweitig in der Gegend von Görlitz heißt der wilde Jäger, der Schömbrich oder Schümbrich. Ebenso spricht aber das Volk den Namen des Städtleins Schönberg aus, daher wohl unter dem wilden Jäger ein böser Herr von Schönberg zu verstehen ist. Bei Hoyerswerda und Senftenberg jagt der eiserne Polenz. Derselbe soll 1509 Besitzer von Senftenberg gewesen sein (Grosser, Lausitzische Merkwürdigkeiten Th. III. S. 95).

Quelle: Karl Haupt, Sagenbuch der Lausitz, Leipzig, Verlag von Wilhelm Engelmann,1862