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Heidut

  Albinus, Meißn. L. u. B. Chronik S. 151. 
  Gräve S. 120. 
  O. u. N. L. Chronik S. 11.

In Pulßnitz lebte einst ein gar frommer Mann mit Namen Heidut, der ging fleißig in die Kirche, betete darin sehr andächtig und that Alles, was er vollbrachte, im Namen und zur Ehre Gottes. Dafür hatte auch sein Gebet eine so große Kraft, daß er seinen Mantel in die Sonnenstäubchen hängen konnte, ohne daß er herunter auf die Erde fiel, was er regelmäßig that, wenn er ihn in der Kirche abgelegt hatte. Das verdroß den Teufel sehr und er wendete alle möglichen Künste durch seine Helfershelfer an, um den frommen Heidut zu verführen; es gelang ihm aber nicht, denn Heidut schlug alle Angriffe durch seine frommen und eifrigen Gebete siegreich ab.

Da mußte sich schon der Teufel bequemen und selbst aus der Hölle herauf kommen, um den heiligen Mann zu verderben. Er erschien ihm auch wirklich an einem Sonntage in der Kirche mit seinen Pferdefüßen und seinem Kuhschweif, so daß es nicht möglich war ihn zu verkennen. Da saß der Höllenfürst und hatte vor sich eine Bockshaut, auf welche er die Namen der jenigen Zuhörer schrieb, die in der Kirche eingeschlafen waren. Es war aber sehr heiß und der Prediger hielt eine langweilige Predigt und es schlief immer einer nach dem andern ein. Nur Heidut hörte noch andächtig zu, obwohl ihn der Anblick des Teufels etwas störte. Nun aber reichte die Bockshaut nicht zu, alle Namen der Schlafenden aufzunehmen, und der Teufel packte sie an dem einen Ende mit seinen Zähnen, um sie noch mehr auszudehnen.

Wie er so aus allen Leibeskräften zog, riß die Haut und Satan purzelte rückwärts hin, reckte die Beine in die Höhe und machte dabei eine so komische Figur, daß der fromme Heidut darüber ganz aus seiner Andacht kam, sich nicht halten konnte und in ein helles Gelächter an heiliger Stätte ausbrach.

In diesem Augenblicke fiel sein Mantel aus den Sonnenstäubchen auf die Erde. Bestürzt hob er ihn auf, nahm ihn um und ging nach Hause. Aber auch da fiel er herunter, als er ihn wie gewöhnlich in die Sonnenstäubchen hängen wollte. Denn er hatte in der Kirche gelacht und seine ganze Frömmigkeit verloren, und wie er auch beten mochte, er konnte es nicht dahin bringen, daß sein Mantel in den Sonnenstäubchen hangen blieb. Da ward endlich Heidut ganz verbost, stieß gotteslästerliche Reden aus, ging nicht mehr in die Kirche, dachte nicht ferner an's Beten und ergab sich dem Teufel mit Saufen, Fressen, Spielen, Jagen und allerlei wilder Fleischeslust. So holte ihn denn zuletzt der Teufel von einem wüsten, schwelgerischen Gastmahle ab, fuhr mit ihm Angesichts seiner Saufgenossen zum Schornstein hinaus und stellte ihn als wilden Jäger an in der Pulßnitzer Haide. Dort jagte er mit seinen wilden Genossen auf feuerschnaubenden Pferden unter dem Gebell wüthender Hunde und dem Schall der Jagdhörner zur Nachtzeit durch den Wald und erschreckte und beschädigte viele fromme Leute, die des Weges gingen. Als aber das Unwesen zu arg wurde, nahmen die Pulßnitzer einen frommen Mönch an, der mußte den wilden Jäger beschwören und ihn in eine alte Fichte auf dem Eierberge verbannen. Die steht noch heutiges Tages da und giebt zu Zeiten ein tutendes Getön von sich, als wenn man ein Horn von fern her vernähme. Da sagen dann die Leute: „Der Heidut läßt sich hören.“

Anmerkungen:

1. Zu Delbrück, einem Marktflecken im Kreise Paderborn, wurde vor Zeiten ein Abgott Sankt Jodutt verehrt, von welchem man ein Lied gedichtet hatte, das sich anfängt: „Sankt Jodukt war ein heilig' Mann, wie der Feind kam, ging er vorn an.“ Andere nennen diesen Götzen Zedutt oder Codutt und auf seinen Namen soll sich das Zetergeschrei: „Zeter Mord Jo“ beziehen. – Noch eine andere Sage berichtet: Bei dem Welpelsholz auf dem Lerchenfelde, wo Herzog Lothar zu Sachsen den Kaiser Heinrich V. geschlagen, wurde zum Gedächtniß des Sieges eine Säule mit einem Bilde errichtet, welches in der einen Hand eine Keule mit eisernen Zacken, in der linken einen Schild mit dem sächsischen Wappen, einen weißen Hengst im rothen Felde hielt. Solches Bild haben nachmals die Bauern angebetet und ihm den Namen Jodutt oder Zedutt gegeben. Diese Abgötterei hat gewährt bis Bischof Werner von Merseburg ihr durch Zerstörung des Denkmals ein Ende gemacht. Ich stelle anheim, ob die wendische Sage vom Heidut nicht hiermit zusammenhängt.

2. Das wendische Märchen vom Dieter Bernhard ist fast gleichlautend. Dieter Bernhard wird über den Unfall mit den Sonnenstäubchen wüthend und beschließt dem Herrgott auch einen Possen zu thun. Er nimmt Brosamen, wirft sie in seine Stiefeln und schreitet einher, indem er so Gottes Gabe mit Füßen tritt. Deswegen entführt ihn bald ein Wagen in die Luft und er fährt dort seiner Bosheit wegen noch bis zum heutigen Tage umher. Ob der Mantel ursprünglich mit Odin's Windmantel gleich bedeutend ist, stelle ich anheim.

3. Das Hangenbleiben im Sonnenstäubchen. – Die heilige Kunigunde zog einst in der Kirche ihren Handschuh aus, als sie zum Altar gehen und opfern wollte. Es war kein Nagel da, sie warf ihn weg und stehe, er blieb an einem durchs Fenster dringenden Sonnenstrahle hangen, bis sie zurück kam (d. Kloster VII. S. 189).

Quelle: Karl Haupt, Sagenbuch der Lausitz, Leipzig, Verlag von Wilhelm Engelmann, 1862