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Der Nachtjäger in Zilmsdorf

  Mündlich. Akten der Naturforsch. Gesellsch. zu Görlitz, Sektion für Alterthümer No. 4.

In der Gegend von Teuplitz und Zilmsdorf kennt Jedermann den Nachtjäger. Der Baron von Reibnitz, dem Zilmsdorf gehörte, und sein Jäger, Namens Stäglich, haben in einer sternenhellen Nacht des Jahres 1799 im hohen Holze unter Teuplitz dem bösem Geiste aufgelauert und ihn zu Pferde verfolgt. Gesehen haben sie nichts, aber einen furchtbaren Lärm haben sie gehört, wie von vielen im Trabe daher rennenden Pferden, dazwischen Halloh rufen, Hundegebell und den Klang eines Hifthorns. Einmal ist es in der Entfernung von kaum 40 Schritten bei ihnen vorbei gekommen und mit Geschrei und Hörnerklang wie bei einer großen Hetzjagd waldeinwärts gegangen.

Diese wilde Jagd hat im Jahre 1827 der Teichwärter Lehmann wieder gehört.

Anmerkungen: Der Bericht des Herrn von Reibnitz an den Direktor der naturforschenden Gesellschaft in Görlitz vom 28. December 1829 ist ein interessanter Beitrag zu den vom Universitätskanzler Autenrieth in Tübingen gesammelten Zeugnissen glaubwürdiger Reisenden über die sogenannten „Stimmen aus der Höhe“. Die Naturerscheinung trägt in verschiedenen Gegenden verschiedenen Charakter, in Mitteleuropa herrscht ein hundebellenartiger Laut vor. Es scheint viel auf die Terrainbeschaffenheit anzukommen. Aber Aehnliches kennt der hohe Norden wie der heiße Süden. (Vergl. Scheibele, das Kloster lX. S. 20–74.) Es folgt hier der Hauptinhalt des Schreibens des Herrn von Reibnitz an den Direktor Schneider, dessen Original mir aus den Akten der erwähnten Gesellschaft No. 4. vorliegt.

„Die an mehren Orten ebenfalls bekannte Volkssage vom wilden Nachtjäger herrscht bis auf jetzige Zeiten am hiesigen Orte. Schon seit meiner frühen Jugend hatte ich Kunde davon, aber nur vom Hörensagen; aber gleich nachdem ich den väterlichen Besitz an mich gezogen, gab ich die strengsten Befehle und vorzüglich an den Nachtwächter, mich zu jeder Stunde in der Nacht, wenn diese Begebenheit sich ereignen würde, sofort in Kenntniß zu setzen. Vor ungefähr 30 Jahren, noch dazu in einer hellen Mainacht gegen 11 Uhr, klopfte es an mein Fenster: „gnädiger Herr, der Nachtjäger!“ rief mein Wächter, „im hohen Holze unter Teuplitz“. Gleich gab ich Befehl, Stäglich, so hieß mein Jäger, der damals, als ich garçon war, Reitknecht, Jäger, Haushofmeister, kurz Alles in Allem, übrigens ein tüchtiger Weidmann und mit mir in gleichem Alter war, zu rufen.

Geh, hole die Pferde, wir wollen reiten, aber schnell, blos auf Decke, der wilde Jäger haust im Forst, wir wollen ihn begrüßen. Das war ihm ein gefundener Handel. Kaum zehn Minuten verflossen, so saßen wir wohlbewaffnet zu Pferde und flogen über Wiesen und Felder dem Jagdgebell und dem Klange eines Hifthorns entgegen.

Kaum erlangten wir die Haide, so verstummte das vorhin gehörte Rüdengebell und Hifthorntönen. Wir verhielten uns still, als auf einmal ein. Gebell wie das Anschlagen eines Dachshündchens, das die verlorene Fährte wieder gefunden, sich dicht vor uns hören ließ. Schnell vermehrten sich die Stimmen von großen und kleinen Hunden und nun begann eine wahrhaftige und förmliche Hetze, die sich waldeinwärts zog, wo noch andere Hifthörner schauerlich erklangen. Wir gaben Sporen und stürzten uns nach, aber ein großes Dickicht nöthigte uns die Richtung zu verändern und in einem Streuweg einzubiegen, wo es trotz der schönen sternhellen Nacht so finster war, daß wir in Wahrheit den Wald vor lauter Bäumen nicht sahen. Die Pferde, die bekanntlich bei Nacht furchtsamer sind, denn der Mensch, scheuten mehrmals. Auf einmal schien die Jagd wieder gerade auf uns zuzukommen, so schrecklich, daß, als wir das Ende des Geheges und die hohen Gipfel des alten hochbestandenen Waldes erlangten, wir uns gegenseitig zuriefen: „Nun drauf los!“ Wie eine Windsbraut rauschte es mit Sang und Klang in einer Entfernung von kaum vierzig Schritt bei uns vorüber, die Rosse schnoben und scheuten, das Pferd meines Jägers überschlug sich. Gott sei uns gnädig und barmherzig, riefen wir beide. Ich eilte ihm zu Hülfe, aber schon erhob er sich wieder und war bald an meiner Seite. Die Pferde drängten sich ängstlich zusammen. Die Jagd schien vorüber, als wir sie aufs Neue in weiter Entfernung beginnen hörten, und zwar in der Feldmark.

Ohne Weiteres eilten wir der Gegend zu und kamen ins offene Feld. Die Sterne schienen hell und freundlich; die Jagd zog jetzt vor uns her; wenn wir ihr nahe kamen, entfernte sie sich immer schneller und schneller, und zwar in einer bogenförmigen Richtung mit Rüdengebell, Hifthornklang und Hufschlag, aber ganz in der Ferne in den entlegenen Haiden. Wir ritten heim, wo uns der Wächter ängstlich erwartete. Er hatte schon gezweifelt, ob wir je wieder kommen würden. Es war 1 Uhr vorüber.“

Quelle: Karl Haupt, Sagenbuch der Lausitz, Leipzig, Verlag von Wilhelm Engelmann,1862