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Der Teufel will eine Jungfer verführen

  Frenzel, hist. natur. III. 1462. msc.

Um das Jahr 1600 ist der Satan zu einer vornehmen Jungfrau von Adel im Budissiner Kreise in der Gestalt eines Weibes gekommen, hat die selbe im Namen eines großen Herrn gegrüßt und sie aufgefordert, denselben in einem Busche, nicht weit vom Schlosse, zu besuchen. Der große Herr werde sie reich machen und ihr geben, was ihr Herz wünschen und begehren würde. Als nun die Jungfrau sich verwunderte und zweifelte, ob es wahr sein möchte, da hing ihr das Weib im Namen des großen Herrn eine güldene Kette um den Hals.

Wie aber das Mägdlein das Geschmeide betrachtet und dabei zufällig zur Erde gesehen, hat sie wahrgenommen, daß dem Weibe eine greuliche Klaue unter dem Rocke hervorragte, ist gewaltig erschrocken und hat in ihrer Herzensangst den Namen des Herrn Jesu gerufen. Da verschwand das Teufels weib und die goldene Kette verwandelte sich in lauter schwarze Kohlen, die zur Erde niedersielen; die Jungfrau aber ward bis zum Tode krank.

Nach drei Monaten, als sie wieder genesen, ist das Teufelsweib wieder gekommen, mit Grüßen von dem großen Herrn und herrlichem Geschmeide, und wiederum nach einem Jahre zum dritten Male. Als auch da die fromme Jungfrau sich geweigert, dem großen Herrn ein Stelldichein zu gewähren, da läßt sich das Weib also vernehmen: „Thörichte Jungfrau, was hast Du denn zu verlieren an Deiner Seele Heil? Du bist ja weder recht getauft, noch auch zur Seligkeit vorher bestimmt; lies dieses Buch, da wirst Du es selber einsehen, daß Du in Ewigkeit verloren bist. Ergieb Dich also dem großen Herrn, er wird Dich hier auf Erden reich machen und Dir geben, was Dein Herz wünschen und begehren mag.“ Darauf ist das Weib von ihr gewichen und hat ein Buch zurückgelassen; das Mägdlein aber ist wiederum so todtkrank geworden, daß ihre Eltern den hochwürdigen Magister Frenzel zu Schönau auf dem Eigen gebeten haben, auf das Schloß zu kommen, welchem Rufe der Magister gefolget ist und mit dem Pfarrer des Orts zugleich die Jungfrau durch Gottes Wort getröstet und beruhigt, jenes Buch aber als ein calvinisches confiscirt hat. Der Teufel aber hat sich nicht wieder sehen lassen.

Daraus ersieht ein jeder Christ,
Der Teufel ist ein Calvinist.

Anmerkungen: Dieses Teufelsweib hat den Charakter einer Hexe, deren Pflicht es ist, dem Teufel, der als ein vornehmer Junker aufzutreten liebt, Kinder und reine Jungfrauen zuzuführen, als Novizen des großen Hexenordens. Sonst bekommen die alten Hexen beim Hexensabbath Prügel von ihm. Die Klaue erinnert daran, daß die Hexen auf Böcken und Kälbern zur Heyenfahrt reiten. Der Fuß des Reitthieres wird dem Reiter beigelegt. So stammt des Teufels Pferdefuß von Odin's Rosse.

Des Teufels Gold verwandelt sich in Kohlen, wie die von guten Geistern herrührenden Kohlen in Gold. Der Teufel ahmt den guten Gottheiten nach, aber verkehrt. Die Hexenprocesse ergeben überhaupt, daß dem Weiberbündnisse mit dem Teufel nur unerquickliche, halbe Lust, ohne allen wirklichen Gewinn zu Theil wird, während Männer dadurch Gold und Schätze erlangen. Die Weiber müssen sich mit der schmutzigen Liebe des Junkers Voland und mit der Schadenfreude über ihren eigenen unheilbringenden Einfluß begnügen. Besonders interessant für die kulturgeschichtliche Forschung sind die konfessionellen Beziehungen der obigen Sage.

Quelle: Karl Haupt, Sagenbuch der Lausitz, Leipzig, Verlag von Wilhelm Engelmann,1862