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Sage des Monats Juni 2022

Der Teufel stört ein Passionsspiel

  Gerber S. 964.

Als Anno 1519 zu Guben auf dem Markte die Passion Christi nach Sitte der Zeit mit einfältigen Reimen und allerhand seltsamen Mummereien aufgeführet worden, wozu von Städten und Dörfern weit und breit Adel und Landvolk sich eingefunden, haben unter anderm neun Gubener Bürgerssöhne neun Teufel dargestellt. Da ist plötzlich während der Aktion zu den neun vermummten Teufeln der zehnte leibhaftige und wirkliche gekommen, hat arge Possen getrieben und ist über den Brunnen gesprungen, die andern dazu zu verführen, um ihnen so die Hälse zu brechen. Es ist ihm aber keiner nachgesprungen.

Als man nun in dem Aktus so weit gekommen, daß Christus an das Kreuz gehenket wurde, hat sich dieser zehnte Teufel vom Theater weggemacht und ist in das Gäßlein am Rathhause gelaufen, und allda in Feuer aufgegangen. Als man hinzu eilte, war Alles verschwunden, aber denjenigen, so den Herrn Christus dargestellt, hat man in Ohnmacht gefunden. Man hat daher den Aktus abkürzen und ihn alsbald in's Grab legen müssen, allwo er wieder erquicket worden.

Als man hernach den Darstellern ein Essen angerichtet, hat sich der Leibhaftige wieder dabei eingefunden, und sich sonderlich um den Vornehmsten, so den Obersten der Teufel Satanas dargestellt hatte, zu schaffen gemacht. Da sind alle heimlich davon gegangen; seinen Doppelgänger aber hat er verfolget und also übel zugerichtet, daß der Mann sein Lebtag nicht wieder fröhlich geworden ist.

Quelle: Karl Haupt, Sagenbuch der Lausitz, Leipzig, Verlag von Wilhelm Engelmann,1862