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Der Nachtschmied zu Görlitz

  Mündlich. 
  Breslauer Handschrift No. 8. 
  Akten der Naturforsch. Gesellsch. zu Görlitz, Sektion No. 63. cf. No. 4. 
  Görl. Wegweiser 1832 S. º, (in Wejen). für Alterthhümer

In Görlitz lebte einst ein Schmied, der war sehr fleißig und geschickt, und deshalb geachtet und gesucht; nur stand er in dem Rufe, auf Kirche und Glauben nicht viel zu halten. Lange lebte derselbe unbescholten, bis einst ein Knecht zu ihm kam, baumstark, rothhaarig, einäugig und lahm, der aber durch Gehorsam, Genügsamkeit, Fleiß und Geschicklichkeit sich bei ihm einschmeichelte, so daß er ihn als seinen Gesellen annahm. Ja er wurde ihm bald unentbehrlich, indem er alle Arbeit ganz allein in unglaublich kurzer Zeit verrichtete. Da des Meisters Gegenwart in der Werkstätte überflüssig erschien, ergab er sich der Unthätigkeit, dem Spiele und dem Trunke. Zuletzt brachte die Arbeit des fleißigen Knechtes kaum so viel ein, als der Meister durchbrachte.

Eines Abends spät kam ein Junker in schwarzer Tracht, auf schwarzem Rosse, ein schwarzes Barett mit rother Hahnfeder auf dem Kopfe vor die Schmiede geritten. Derselbe bestellte ein eisernes Gitter um eine Gruft für einen sehr hohen Preis, verlangte aber, daß dasselbe unbedingt bis Mitternacht des dritten Tages fertig sein müßte, wogegen die Hälfte vorausbezahlt werden sollte. Halb trunken vom Gelage abgerufen lacht der Meister zuversichtlich: dafür wolle er wohl Leib und Seele verpfänden, daß zu der Zeit Alles fertig sein würde. Da dringt der Junker in ihn und spricht: So er das thäte, möchte ihm wohl der vierfache Preis zu Theil werden. Der Meister, von Habsucht geblendet, unterschreibt mit seinem Blute die Bedingung und sieht mit Erstaunen zwar das Gold richtig bezahlt vor sich liegen, aber der Junker ist verschwunden.

Der Leichtsinnige vergißt aber bald was geschehen und kehrt zum Gelage zurück. Am Morgen erzählt er seinem Knechte die Sache und heißt ihn gleich ans Werk gehen. Höhnisch lacht dieser: das hätte er getrost in einem Vormittage zu liefern sich verpflichten können. Völlig beruhigt geht der Meister weg und verjubelt das im Voraus empfangene Geld. Erst am dritten Nachmittage fällt ihm ein, nach der Arbeit zu sehen. Er eilt in die Werkstatt; das Gitter ist bis auf einen einzigen Ring fertig, aber der Knecht ist verschwunden. Eiligst geht er selbst an den Ambos, um das noch Fehlende zu ergänzen; aber vergeblich müht er sich. Alles Eisen, das der Hammer berührt, springt unter seinen Händen entzwei. Die übernatürlichen Hindernisse seines Beginnens lassen ihn erkennen, daß der Hölle Macht im Spiele ist. Entsetzen faßt ihn und treibt ihn bald von der trostlosen, hoffnungslosen Arbeit hinweg, bald mit verzweifelter Anstrengung wieder hin. Der Knecht ist für immer verschwunden.

Endlich, unter der vergeblichen Arbeit, erscheint die Mitternacht. Mit dem ersten Glockenschlage derselben öffnet sich die Erde und verschlingt den dem Teufel Verfallenen. Seitdem ist er verdammt so lange zu schmieden, bis die fehlenden Ringe am Gitter sein werden. Menschliche Macht aber kann ihn nicht erlösen, denn so oft Vorwitzige oder Fromme die fehlenden Ringe am Gitter ersetzten, verschwanden sie von selbst in der Nacht, oder seine Leute hatten keine Ruhe, bis die Ringe wieder abgenommen waren, wie es noch vor kurzer Zeit einem Schmiedegesellen, Namens Wende, ergangen ist.

Darum muß der Schmied unter der Erde schmieden, und allnächtlich hören die Bewohner des Obermarktes, besonders des Hauses in der nordwestlichen Ecke desselben, wo er gewohnt hat, sein Hämmern, bald in ruhigem abgemessenen Takte, bald wieder in raschen ungestümen Schlägen, wenn über der Arbeit die Verzweiflung ihn bemeistert. Zwar haben in neuerer Zeit Leute, die Alles besser wissen wollen, in unterirdischen Gewässern die Ursache des dumpfen, hämmernden Geräusches finden wollen, aber man weiß, was man von solchen Sachen zu halten hat. Der Name des Schmiedes soll Volprecht gewesen sein.

Anmerkungen:

  • Die Akten der Naturf. Gesellschaft stellen fest, daß die Ursache des unterirdischen Geräusches lediglich in unterirdischen Wasserleitungen zu suchen ist oder viel mehr war, denn seit mit denselben Aenderungen vorgenommen wurden, hört man nichts mehr. Man erzählte sich in den dreißiger Jahren noch viele unheimliche Geschichten vom Nachtschmied.

Die Schläge dröhnten oft so, daß die Fenster klirrten. Dann sagten die Leute: Der Nachtschmied arbeitet. Im Winter und Frühjahr arbeitete er häufiger als im Sommer, Zu Advent und Fasten am meisten. Teller und Gläser fingen oft an zu zittern und zu tanzen. Oft wenn man es zu hören wünschte, hörte es plötzlich auf. Wenn neue Arbeit kam, hämmerte er fleißig und zeigte an, daß bald viel zu thun sein werde. Wenn man redete oder klingelte, hörte es auf. – Ein Schmiedegeselle wachte einst davon auf und ging hinab in die Werkstatt. Da sieht er den Hammer arbeiten ohne den Schmied.

Im benachbarten Näther-Lüderschen Brauhofe hört ein Mann den Nachtschmied und wird dadurch so getäuscht, daß er denkt, es ist früh Morgens und auf die Arbeit geht.

Anno 1813/14 war in der Schmiede ein Russe einquartirt. Der ist des Nachts durch das Rumoren und die Stöße seines Bettes aus dem Schlafe geweckt worden, im Hemde herausgesprungen und auf die Hauptwache gelaufen und es hat ihn Niemand zurückbringen können. Er hat müssen umquartirt werden. Mancher Geselle hat in der Angst seinen Abschied genommen. Der vorletzte Schmiedebesitzer, Namens Hellbrecht, soll durch mancherlei Umstände veranlaßt worden sein, einen verschlossenen Kellerraum seines Hauses zu öffnen; er habe hierbei einen großen Stein weggehoben und Dinge gesehen und gehört, die er leider nur theilweise mitgetheilt hat. Es drang ihm ein Leichengeruch entgegen und später eine unförmliche feurige Drachengestalt. Bald darauf ward er krank und starb. Bei seinem Begräbnisse ließ sich ein schwarzer Vogel, so groß wie eine Dohle, im Trauergemach sehen. Alles erschrak, aber Niemand vermochte sie zu fangen, bis sie von selbst verschwand.

  • Der Name des Schmieds Volprecht ist höchst merkwürdig. Denn schon das Annolied hat str. 46. 47. die Geschichte eines gewissen Volprecht (anno 1183), der sich dem Teufel ergiebt. Wie kommt dieser Name in die Görlitzer Sage? Er kann korrumpirt sein aus Hellbrecht, einem Schmied, der notorisch dieses Haus besessen. Aber dies war in diesem Jahrhunderte. Angenommen Volprecht ist aus Hellbrecht entstanden, so bleibt es doch immer merkwürdig, daß der Name sich grade so verändert. Dazu hat doch wohl uralte Tradition beigetragen. Das Seltsamste ist, daß derselbe Name, der meines Wissens außer im Annoliede nirgends in Beziehung zum Teufel tritt, gerade in der allerjüngsten Görlitzer Teufelsgeschichte wieder auftaucht, die noch vor 30 Jahren zu weitläufigen Untersuchungen und aktenmäßigen Berichten Veranlassung gegeben hat, welche zu veröffentlichen wir gegenwärtig noch gerechte Scheu tragen würden.

Quelle: Karl Haupt, Sagenbuch der Lausitz, Leipzig, Verlag von Wilhelm Engelmann,1862