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Der rothe Görge zu Gerlachsheim

  Gräve, S. 169.

Bei Obergerlachsheim, ungefähr 150 Schritte am Abhange des Queißerberges in einer schönen wild romantischen Gegend steht ein großer über zwanzig Ellen hoher Quarzfelsen von wunderbarer Gestalt, vom Volke kurzweg der weiße Stein genannt. Etwa 100 Schritte weiter auf böhmischer Seite befinden sich ebenfalls weiße, doch größere und viel weiter ausgedehnte Quarzfelsen, deren Richtung und Bildung beweisen, daß der weiße Stein ehemals mit ihnen zusammen gehangen. Man erzählt von ihnen Folgendes:

In grauer Vorzeit lebte einst hier in dem wilden Walde ein Einsiedler, weit und breit bekannt durch seine Frömmigkeit und Weisheit. Zu dem kamen die Kranken und ließen sich heilen, und die Sünder bekehrte er durch die Wunder, die er that, denn es war ein heiliger Mann. Und er bekehrte so viele Sünder, daß gar Niemand mehr in die Hölle kam und die Hölle anfing leer zu werden.

Das ärgerte den Teufel und er beschloß, den Heiligen zu verführen. Tausend Versuchungen stellte er an, aber ob auch Tag und Nacht im Wachen und im Traume die verführerischesten Erscheinungen den Klausner umgaukelten, mit Gebet und Fasten und Geißeln vertrieb er sie alle und der Teufel konnte ihm nichts anhaben. Da beschloß er ihn zu vernichten, ergriff einen ungeheuren Felsen und flog damit durch die Luft. Aber siehe da, als er ihn eben nach der friedlichen Einsiedelei schleudern wollte, da erglänzte die Waldkapelle wie von himmlischem Lichte und Engel in weißen Gewändern standen an dem Lager des Klausners, der friedlich schlafend keine Gefahr ahnte. Da erkannte der Teufel seine Ohnmacht und wüthend schleuderte er das Felsstück zur Erde, daß es in zwei große Stücke zersprang. Dort liegen sie noch bis heute. Der Wald ist seitdem gelichtet und der Einsiedler längst gestorben – aber der Teufel besucht noch oft die Stätte seiner Demüthigung. Im langen rothen Mantel und einem spitzen Hut und mit feuersprühenden Augen, so haben ihn oft schon die Holzbauern am hellen Mittage auf dem Felsen umher springen gesehen mit wunderlichen Grimassen und wieherndem Gelächter. Von seinem rothen Mantel aber nennen sie ihn den rothen Görge.

Quelle: Karl Haupt, Sagenbuch der Lausitz, Leipzig, Verlag von Wilhelm Engelmann,1862