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Die Teufelsmauer zu Gojaz

  L. Monatsschrift 1798. II. 323.

Als der Teufel noch bei hellem lichten Tage leibhaftig unter den Menschen einher ging, machte er einstmals mit dem Besitzer des Gojazer Kretschams ein Bündniß, wodurch er sich anheischig machte, wenn der Krüger sein Versprechen (die Sage nennt nicht, worin dies bestand) hielte, um seinen Weinberg und ganzen Acker in einer Nacht eine Mauer aufzuführen, den Hofraum zu pflastern und damit fertig zu sein, ehe der Hahn krähte. Und so geschah's, die Mauer ward bei Nacht und Nebel mit höllischer Kraft und Geschwindigkeit aufgeführt, und es war nur noch im Hofe ein großer Stein anzubringen. Da krähte der Hahn. Der Teufel erschrak, ward darauf ganz verbost und schleuderte den Stein, welcher aber fünf Centner schwer war, über den Thorweg, wo er bis zum Jahre 1790 lag und mit fünf Löchern die Stellen bezeichnete, wo ihn des Teufels unsanfte Finger gepackt haben. Die Mauer aber steht heute noch und ist wirklich teufelmäßig fest gebaut.

Anmerkungen: Diese und viele andere Sagen von bauenden und wettenden Teufeln haben ihr Original an der Edda- Mythe vom Bau der Asen- oder Götterburg. Diese sollte den Reifriesen (der Winterkälte) trotzen. Die Asen wählten einen Schmied zum Baumeister, der aber ein verkappter Riese war und sich zum Lohne die holde Freia (die Produktionskraft) und die Sonne und dem Mond ausbat. Dies zu bewilligen hatte der hämische Locki gerathen. Die Asen stellten dagegen die Bedingung, daß der Bau bis Frühlingsanfang fertig sein müsse und daß dem Schmiede Niemand helfen solle als sein Roß Swadilföri (= Eisfahrer). Als sie aber sahen, daß drei Tage vor Frühlingsanfang der Bau fertig war bis auf ein einziges Thor, da erschraken sie und drohten Locki, wenn er die Vollendung nicht verhinderte, mit dem härtesten Tode. Locki versprach dies, verwandelte sich in eine Stute und als der Schmied Abends ausfuhr, um Steine zu holen, verlockte er das Roß desselben durch sein Wiehern in den Wald, so daß der Schmied nicht wußte, wie er fertig werden sollte und aus Zorn und Angst seine wahre Gestalt annahm, um mit größter Kraft das Werk zu vollenden und den bedungenen Lohn zu erhalten. Jetzt aber riefen die Asen den Sommergott Thor, den Donnerer eiligst zurück von seinem östlichen Kampfe gegen die Trolden. Er kam und schlug mit seinem Hammer den Riesen todt. Die Deutung liegt auf der Hand. Die Götterburg wird in unseren Sagen zum Ritterschloß, Dom, Haus, Mühle u. s. w.. oder, wie in der Görlitzer und Friedersdorfer Sage, zu einer bedungenen Schmiedearbeit. Der Baumeister und Schmied in der alten Mythe, ein feindlicher Riese, ist bei uns der Teufel, der Preis statt der holden Freia, der Sonne und des Mondes, die unsterbliche Seele; wie dort das wiehernde Roß, so ist hier der krähende Hahn, die schlagende Uhr u. s. w. Schuld, daß der Bau nicht fertig und der Baumeister betrogen wird.

Die Felsstücke, welche der Teufel wirft, beruhen aber auf einer Verwechselung des Riesen mit Thor und seinem geschleuderten Steinhammer. Gespenstige Pferde, die einen Bau verhindern, kennt die lausitzische Sage vom Löbauer Berge und von der Wolfgangskapelle zu Nieda.

Quelle: Karl Haupt, Sagenbuch der Lausitz, Leipzig, Verlag von Wilhelm Engelmann,1862