Der feurige Hund von Budissin

Nachstehende Erzählung fällt den 1. und 2. Mai 1634, und ist vollkommen geschichtlich glaubwürdig, den Schlußvers ausgenommen, der deutlich zeigt, wie gern sich die Volkssage an die Geschichte knüpft, und den Faden derselben, wo ihn die Chroniken abschneiden, abergläubisch weiter spinnt.

Der Wallensteiner Hauptmann Golz
voll Tygergrimm und bösem Stolz]
lag schon ein halbes Jahr
in Budissin,
und seine Schaar
verübte drin
unsägliche Greuel, Raub und Mord;
gern flöhe der Bürger, doch kann er nicht fort,
denn die Thore bei Tag und Nacht
waren streng bewacht.1)

Da rückt mit vierzigtausend Mann
der Altenburger Herzog2) an.

Die Bürger seh’n das Heer
wohl still erfreut,
noch aber schwer
sind sie bedräut;
denn wenn sich der Hauptmann nicht halten kann,
so steckt er den Ort ohnfehlbar an,
daß der Feind in der wüsten Stadt
dann kein Bleiben hat.

Die Bürger gaben Alles her
daß Golz mit ihnen schonend wär’,
und zu Walpurgis früh
mit Kranz und Straus
bekränzen sie
des Hauptmanns Haus,
und pflanzen süßduftende Maien umher,
als ob es das Haus ihres Fürsten wär’,
und stehen und harren lang
auf des Hauptmanns Dank.

Mit stolzem Blick sah der Barbar
vom Fenster auf der Bürger Schaar,
doch ach, mit schlechtem Dank
wies er sie fort,
und häßlich klang
das böse Wort:

„Reif seid ihr zum Tode! Ihr steckt vor die Thür
mir Maien? Ihr Hunde, nun ist es an mir!
Bald steck’ ich den rothen Hahn 3)
euern Dächern an!“

Er lachte teuflisch auf, und schlug
das Fenster zu mit argem Fluch.
Die armen Bürger sah’n
ob solchem Wort
einander an,
und schlichen fort.

Aufgab ein Jeder sein irdisches Theil,
und bedachte betend sein Seelenheil,
und gab auf Befehl die Wehr
ohn’ Weigern her.

Der Mond zieht über Budissin,
der letzte! bleich und blutig hin;
die Glocken schlagen drei,
so dumpf und bang,
als ob es sey
ihr letzter Klang;
noch einmal nur summet ihr Läuten vom Thurm,
und wimmert in heulenden Schlägen Sturm,
und weckt die Bürger, und zerrt
aus der Flamm’ in’s Schwert.

Allseitig bricht das Feuer aus,
und wälzt sich rasch von Haus zu Haus,
von Feindeshand genährt,
und Feuersgluth
und Feindesschwert
in gleicher Wuth
tobt wüthend die taghellen Gassen entlang;
der Sterbenden Aechzen und Waffenklang
und Zetergeschrei erscholl
weithin grausenvoll.4)

Hohnlachend, wie sich Teufel freu’n,
schaut Golz in all den Greul hinein:
„Ha, wie das lustig brennt!
Wie schnell und groß
das Element
als Kriegsgenoß!
Wie wird doch der Herzog, wie wird er sich freu’n,
wenn er siegreich zieht in die Trümmern ein!
Komm, Herzog, und such’ ein Haus,
such’ das schönste aus!

Drauf rief er einen Reitersmann
aus dem Gewühl zu sich hinan,
und sprach: „Reit’ vor das Thor
zum Feind sofort,
und stell’ ihm vor
mit sanftem Wort:
Ich wolle die Stadt nicht länger mehr
verweigern seinem gerechten Begehr,
doch mit dem Beding, daß frei
mir der Abzug sey.

Der Reiter reitet schnell hinaus,
und richtet Alles klüglich aus,
und als der Herzog frägt,
wer wohl den Brand
hab’ angelegt
mit böser Hand,
da läugnet er’s ihm mit heuchelndem Blick,
und erhält so Gewährung, und reitet zurück,
und zum Abzug versammelt ist
Alles in kurzer Frist.

Fortzieht die Schaar mit Hörnerklang,
mit teuflisch lust’gem Spottgesang
und stolzem Siegerschritt.
Voran dem Troß
der Hauptmann ritt
auf schwarzem Roß.

Im Lauenthor, da schaut’ er zurück
in sein gräßliches Werk mit höhnischem Blick:
„Hört, wie die Hunde von Budissin,
hört, wie sie heulen drin!“

Und eh’ er wendet sein Gesicht,
da ruft ihn Gott schon vor Gericht;
sein Angesicht erbleicht,
sein Arm erschlafft,
sein Körper neigt
sich ohne Kraft
zum Falle, und schmettert auf’s Pflaster hin,
nicht mehr hört er die Hunde von Budissin!

es knackte sein Wirbelbein. –
Mög’ ihm Gott verzeih’n!
Ihn aufzuheben ist nicht Zeit,
schon ist die Flamme nicht mehr weit,
die hintern drängen vor,
und Roß an Roß
in’s enge Thor
zwängt sich der Troß,
und kümmert, von Rauch und Flammen gehetzt,
sich nicht, ob der Hufschlag den Todten zerfetzt,
und zerstampft auf dem nackten Gestein
knackt des Wüth’richs Gebein.

Der feur’ge Hund von Budissin
läuft nächtlich durch die Straßen hin;
das ist der böse Golz.
Bleich glimmt sein Fell,
wie faules Holz,
und sein Gebell
verkündet den Straßen, die er durchrennt,
daß es nach drei Tagen darinnen brennt;
darum immer, Gott, halte ihn
fern von Budissin.

Quelle: Widar Ziehnert: Sachsen’s Volkssagen: Balladen, Romanzen und Legenden. II. Band. Rudolph & Dieterici, Annaberg 1838, Seite 233


1)
Die Chronik erzählt: Anno 1633, den 30. Oktober, Sonntags Nachmittags um 2 Uhr sind die Kaiserlich Wallensteinischen Völker, 70,000 Mann, gekommen, und haben die Stadt belagert und beschossen, und Dienstags mit Accord übereingekommen, worauf der kaiserliche General Golz mit seinem Regiment zu Fuß und einer großen Esquadron zu Roß nebst etlichen Panduren hereingekommen, welche 27 Wochen bis auf den andern Mai nach Misericordias domini 1634 in der Stadt gelegen und Alles verzehrt, und stahlen noch dazu Alles denen Leuten, u. s. w.
2)
Die Chronik: Zu Anfang des Jahres 1634 beschloß der Churfürst von Sachsen, Johann Georg I. die Oberlausitz wieder zu erobern. Es rückte demnach der Herzog Friedrich Wilhelm von Altenburg nebst dem General Arnim mit 40,000 Mann vor die Stadt Budissin.
3)
Jemanden den rothen Hahn aufs Dach stecken, dem Dache anstecken, s. v. a. Jemanden das Haus anzünden
4)
Die Chronik erzählt: Heute den 2. Mai 1634 hat der Obrist Golz befohlen, jeder Soldat soll früh 3 Uhr sein Haus anzünden, was auch geschehen. Auf der Seidau, in der Fischergasse und den Ueberresten der Vorstadt brach das Feuer aus, flog in die innere Stadt, steckte zuerst die Juden- (jetzt Herings-) Gasse an, und legte alle Privathäuser, Kirchen (die Peterskirche, in die sich 300 Personen geflüchtet hatten, zündeten die Panduren mit Pechkränzen an) und alle andern öffentliche Gebäude, ja selbst einen Theil des nahen Dorfes Teichnitz, in Asche. Nur die St. Nicolaikirche war noch zum Gottesdienste brauchbar. Gräßliche Mordthaten, Raub, Unzucht u. a. Greuel machten diese Schreckensnacht den Bürgern von Budissin noch schrecklicher.