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Der Stern des Riesenkönigs

  Sandow

Fern im Riesengebirge lebte auf einem hohen Berge in seiner Burg ein Riesenkönig, welcher den umliegenden Landen schweren Schaden zufügte. Der Riesenkönig besass einen grossen Schatz; das war ein grosser Stern von Gold und edlen Steinen, welchen er in seine Rüstung hatte fest einfügen lassen. Der Kaiser, welcher den Riesenkönig gern unschädlich machen wollte und den Schatz begehrte, forderte seine Ritter auf, den Kampf mit dem Riesen zu bestehen. Er werde, sagte er, den Sieger reich belohnen.

Die Ritter des Kaisers zogen an einem bestimmten Tage gegen den Riesen aus. Da aber jeder von den Rittern den Sieg erringen wollte, so nahm jeder einen andern Weg nach der Riesenburg. Unter den Rittern war einer, welcher Fritz hiess; der liess sich von seinem siebenjährigen Sohne begleiten. Der Ritter und sein Sohn waren viele Stunden weit geritten. Als sie sich dem Gebiete des Riesen näherten, beschloss der Ritter, sich durch einen kurzen Schlaf zum Kampf zu stärken; seinem Sohne befahl er zu wachen.

Nicht gar lange war der Ritter eingeschlafen, so bemerkte der Sohn in der Ferne den Riesen. Schnell bestieg er sein Ross, sprengte demselben entgegen und forderte ihn zum Kampf heraus. Der Riesenkönig ergriff seine gewaltige Eisenstange und schleuderte sie mit furchtbarer Kraft nach dem Knaben. Der aber wich geschickt aus, so dass die Stange zur Seite in einen Berg tief hineinfuhr. Der Riese, welcher ohne seine Stange kraftlos war, eilte ihr sofort nach und bemühte sich, dieselbe aus dem Berge zu ziehen. Den Augenblick aber ersah der Knabe, sprengte hinzu und schlug dem Riesen mit einem Schwertschlag den Kopf ab. Darauf brach er aus der Rüstung des Todten den Stern heraus, barg ihn, ritt zurück und weckte seinen Vater.

Der war, als er von dem Kampfe hörte, sehr böse, dass sich sein Sohn in die Gefahr begeben hatte, nahm das Haupt des Riesen und ritt damit zum Kaiser. Dort fand er schon die andern Ritter, von denen jeder einen Theil des Riesenleibes zum Beweise seines Sieges mitgebracht hatte. Keiner aber von ihnen hatte den Stern des Riesenkönigs. Als der Knabe schliesslich denselben vorzeigte, erkannte der Kaiser, dass dieser der Sieger sei, freute sich sehr darüber und belohnte ihn reichlich. Er schlug ihn sofort zum Ritter und schenkte ihm eine Grafschaft.

Siehe auch die Sage: Roland Schildträger

Quelle: Edmund Veckenstedt: Wendische Sagen, Märchen und abergläubische Gebräuche. Leuschner & Lubensky, Graz 1880