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Die Frau des Nix

  Neu-Zauche

An einem Charfreitage soll man aus einem Querfliesse kein Wasser schöpfen. Das weiß ein Jeder, und doch hatte es ein Mädchen aus Neu-Zauche einmal versehen und war an einem Charfreitage an das Fliess gegangen, um von dort Wasser zu holen. Da erschien der Nix, erfasste seine Hand und wollte es hinab in das Wasser ziehen. Das Mädchen sträubte sich, allein bei dem Ringen hatte der Nix, ohne dass das Mädchen es merkte, ihm einen Ring auf den Finger gesteckt und dadurch Gewalt über dasselbe bekommen. Deshalb musste es dem Nix folgen. Der Nix führte das Mädchen in einen schönen Palast hinab und machte es zu seiner Gemahlin. Hier hatte nun das Mädchen Alles, was es sich wünschte.

Aber einsam kam es ihm doch unten in dem Palaste vor, so abgeschnitten von jeder menschlichen Gesellschaft. Deshalb weinte die Frau des Nix viel. Der Nix aber suchte ihre Traurigkeit zu verscheuchen und zauberte ihr deshalb Gespielinnen. Dadurch beruhigte sich die Nixfrau. Endlich aber erfasste doch die Sehnsucht nach der Oberwelt ihr Herz mit solcher Gewalt, dass sie nicht abliess zu bitten, der Nix möge ihr gestatten, dass sie einmal an die Oberwelt gehen und die Kirche besuchen dürfe, um dort ihre Eltern zu sehen. Endlich willigte der Nix ein, stellte aber seiner Gemahlin drei Bedingungen, welche sie erfüllen müsse. Er sagte ihr: „Du magst an die Oberwelt gehen, aber Du darfst Dich auf Deinem Wege nicht umsehen, Du darfst mit Niemand auf der Oberwelt sprechen, Du musst vor dem Segen die Kirche verlassen.“ Seine Frau versprach Alles und hielt auch Alles, so dass sie glücklich wieder in den Palast zurückkehrte.

Ihr Besuch auf der Oberwelt machte die Gemahlin des Nix so glücklich, dass dieser ihr am nächsten Sonntag wieder unter den drei Bedingungen die Heimkehr auf die Oberwelt gestattete. Auch diesmal ging Alles glücklich ab. Am dritten Sonntage aber, als sie sich wieder auf der Oberwelt befand und in der Kirche ihr Mütterchen sah, dem alle Haare vor Gram weiß geworden waren, konnte sie sich nicht enthalten, sondern redete mit ihm, blieb aber dabei so lange in der Kirche, bis der Prediger den Segen gesprochen hatte.

Als sie merkte, dass sie zu lange in der Kirche gewesen war, stürzte sie eilig hinaus: aber in der Halle der Kirche stand der Nix vor ihr mit ihrem Kinde im Arme. Das zerriss er vor ihren Augen, gab ihr die eine Hälfte, die andere aber behielt er selbst; darauf rief er ihr zu: „Du hast Dich an mein Gebot nicht gekehrt, fortan sind wir geschieden. Aber von nun an wirst Du in allen Gräben, Seen und Flüssen, sowie in jedem Wasser, das Du trinkst, mich in meiner hässlichsten Gestalt sehen.“ Das Mädchen fiel entsetzt zu Boden. Als es von seiner Ohnmacht erwachte, war der Nix verschwunden. Sein Wort hat er gehalten, denn das Mädchen hat seine hässliche Gestalt in jedem Gewässer erblickt, bis es vor Abscheu und Gram gestorben ist.

Quelle: Edmund Veckenstedt: Wendische Sagen, Märchen und abergläubische Gebräuche. Leuschner & Lubensky, Graz 1880