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Ein halber Hirsch als Lohn

  Vetschau

Von Lübben kehrte ein Mann eines Abends nach den Spreewald-Kaupen, in welchen er wohnte, zurück, als er plötzlich den Nachtjäger hoch oben jagen hörte. Es war ein Gebelle, ein Gepfeife und ein Höllengeschrei, dass der Mann sich fürchtete. Er dachte aber: Du willst auch mitpfeifen und mitbellen, dann wird Dir schon die Furcht vergehen, und er pfiff und bellte aus Leibeskräften.

So trieb er es bis zu seiner Wohnung. Als er an die Thürklinke faßte, um in sein Haus zu gehen, rief eine Stimme von oben: „Hast Du jetzt mitgejagt, so kannst Da auch mitessen“, und plötzlich fiel ein halber Hirsch auf die Erde nieder. Der Mann warf schnell seine Thür zu, nahm aber den halben Hirsch nicht auf; als er am andern Morgen Tor die Hausthür trat, war derselbe verschwunden.

Quelle: Edmund Veckenstedt: Wendische Sagen, Märchen und abergläubische Gebräuche. Leuschner & Lubensky, Graz 1880