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Die zum Frühstück eingeladene Murawa

  Gross-Ossnig

Einer Bäuerin aus Gross-Ossnig pflegte ein Mann auf Schritt und Tritt zu folgen, so sehr sie ihn auch mied. Legte sich die Bauerin des Abends schlafen, so warf sich der Mann, welcher sich in eine Murawa verwandelte, über sie hinweg; dann konnte sie kein Glied rühren. Von den Leuten, welche zufällig im Zimmer anwesend waren, sah Niemand etwas. Sprechen konnte die Bäuerin auch nicht, denn die Murawa steckte ihr die Zunge in den Mund.

Einmal, als die Bäuerin wieder von der Murawa bedrängt wurde, gelang es ihr jedoch, die Zunge frei zu machen. Da sagte sie zu der Murawa: „Komm morgen zum Frühstück.“ Darauf verschwand die Morawa sogleich. Am anderen Tage kam wirklich ein Mann zum Frühstück. Die Bäuerin ergriff aber sofort einen Besen und trieb ihn damit zur Thür hinaus. Seit der Zeit ist die Murawa nicht wieder zu ihr gekommen.

Quelle: Edmund Veckenstedt: Wendische Sagen, Märchen und abergläubische Gebräuche. Leuschner & Lubensky, Graz 1880