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Vom Wechselbalg einer Tagelöhner-Familie in Alt-Zauche

  Alt-Zauche

In Alt-Zauche war eine arme Tagelöhner-Frau, die ging eines Tages auf das Feld; sie nahm auch ihr kleines Kind dorthin mit. Das Kind wurde von den Ludkis vertauscht. Das untergeschobene Kind sprach nicht, konnte auch nicht gehen, sondern blieb immer in seiner Wiege liegen, und die Leute mussten es füttern.

Wenn nun die Leute auf Arbeit gegangen waren und des Abends nach Hause kamen, so fand es sich, dass stets das beste Essen im Hause weg war; Niemand aber dachte daran, dass das Kind in der Wiege Alles aufgegessen haben könnte. Da kochte die Frau eines Tages Fleisch, stellte den Topf auf den Heerd und sagte heimlich zu ihrem Manne: „Wir wollen die Stube zuschliessen und so thun, als wenn wir auf Arbeit gehen, in Wirklichkeit aber wollen wir sehen, wer das Fleisch aufisst.“

Darauf gingen sie fort, stellten sich unter das Fenster und sahen von draussen, wie das Kind aus der Wiege aufstand, rasch nach dem Heerd ging und das Fleisch aus dem Topfe nahm. „Siehst Du,“ sprach nun die Frau zu ihrem Manne, „das Kind ist kein gewöhnliches Kind, wie ich längst geahnt habe, den Wechselbalg werden wir nimmer los. Wir wollen doch einmal sehen, ob er auch sprechen kann.“ Den andern Tag kochte die Frau ein Stück Leder und stellte den Topf wieder auf den Heerd. Darauf schlossen die Leute ihre Stube wiederum zu und gingen unter das Fenster, um dort zu lauschen. Der Wechselbalg kletterte aus seiner Wiege, lief zum Heerd und griff mit der Hand in den Topf; als er das Leder sah, sprach er: „Aha, heute giebt es Schuhsohlen.“

Quelle: Edmund Veckenstedt: Wendische Sagen, Märchen und abergläubische Gebräuche. Leuschner & Lubensky, Graz 1880