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Die Ludki von Tschelln

  Tschelln

Bei Tschelln in der Muskauer Haide fliesst die Spree zwischen Sandufern dahin. Diese Ufer wurden in uralten Zeiten vom Wasser der Spree bespült, gegenwärtig aber liegen sie theilweis hundert und mehr Schritt seitwärts des eigentlichen Flussbettes: zwischen ihnen und dem Wasser befindet sich eine fruchtbare Niederung. Unterhalb Tschelln führt ein Theil dieses flachen Flussuferlandes einen Namen, welcher zu deutsch: „alte Ecken“ oder „alte Löcher“ heisst. In diesen Höhlen oder Löchern haben in uralter Zeit die Ludki gewohnt.

Einst pflügte ein Bauer auf seinem Felde in der Nähe der Ludkiwohnungen. Er hatte seit früh Morgens fleissig gepflügt. Als es gegen elf Uhr kam, bemerkte er einen angenehmen Duft, wie von frischem Gebäck. Gewiss, dachte er bei sich, haben die Ludki ein Fest und backen Kuchen; deshalb rief er laut: „Wenn ich doch auch einen Kuchen hätte.“

Es währte nicht lange, so kam ein Ludk, der brachte einen Kuchen und einen Krug mit Inhalt und sprach: „Diesen Kuchen kannst Du aufessen, doch muss er ganz bleiben, den Krug kannst Du austrinken, berührst Du ihn aber mit dem Munde, dann geht es Dir schlecht.“ Der Bauer war anfänglich ob solcher Rede ganz bestürzt; er pflügte noch einmal um den Acker. Als er aber wieder zurück an das Ende kam, fiel ihm etwas Gutes ein. Er setzte sich auf den Rasen nieder, nahm sein Messer und schnitt und ass den Kuchen aus der Mitte, den Rand jedoch liess er ganz. Dann nahm er einen Strohhalm und trank durch diesen die Flüssigkeit im Kruge, ohne denselben an den Mund zu bringen.

Mit dem Schlage zwölf erschien der Ludk wieder, raffte den Kuchenrand und den Krug hinweg und rief: „Das hat Dir der Teufel gerathen!“ Darauf lief er davon.

Quelle: Edmund Veckenstedt: Wendische Sagen, Märchen und abergläubische Gebräuche. Leuschner & Lubensky, Graz 1880