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I. Koboldsage

Dass weiss ein jeder, dass mancher Bauer einen Kobold hat, welcher sich bei ihm auf dem Gehöfte aufhält, aber nicht jeder hat es erfahren, wie der Kobold den Leuten gar manchen Streich spielt. So befand sich einmal bei einem Bauer, von dem man sich erzählte, dass er den Kobold habe, ein Arbeiter in der Scheune noch um Mitternacht, wie das wohl bei der Erntearbeit einmal vorkommt. Das Fuder war abgeladen, alle hatten bereits die Scheune verlassen und auch unser Arbeiter rüstete sich zum Heimgang. Er zog die Jacke an und setzte die Mütze auf. Da war es ihm plötzlich, als streife etwas seine Mütze vom Kopfe. Er sah sich um, aber er bemerkte nichts. Sonderbar aber war es, dass die Mütze vom Kopfe fort war: soviel er auch darnach suchte, jetzt und die folgenden Tage, er fand die Mütze nicht wieder.

So mochten etwa vierzehn Tage vergangen sein und der Arbeiter hatte seine Mütze immer noch nicht wieder gefunden: da ging er eines Tages auf die Banse, um die Garben auf die Diele zu werfen, denn es sollte das erste Getreide im Jahre gedroschen werden – siehe da lag die Mütze oben auf den Garben. Das war aber um so merkwürdiger, als der Arbeiter doch verschiedene Male die ganze Banse nach seiner Mütze abgesucht hatte, und nun lag sie frank und frei dort. Da merkte der Arbeiter, dass ihm der Kobold des Bauers einen Schabernack gespielt hatte.

Quelle: Autor: Rose, „Sagen aus der Provinz Sachsen“, Herausgeber: Edmund Veckenstedt, 1888, Verlag Alfred Dörffel, Leipzig