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Die Hexen aus Vetschau

  Mischen

Es war bei Vetschau eine alte Witwe, welche eine Tochter hatte. Das Bauerngut, welches ihnen gehörte, war so groß, dass sie sich auch einen Knecht darauf halten konnten. Derselbe hatte schon lange weg, dass die Frau und ihre Tochter Hexen seien. Einst sprach er: „Die Sache wird sich schon finden, ich werde es herausbekommen.“

Den Tag vor dem ersten Mai sprach die Witwe zu dem Knecht: „Hans, was du heute findest, bringe mit nach Hause.“ Der Knecht zog aufs Feld, um zu pflügen. Die Sonne neigte sich schon dem Untergange, aber der Knecht hatte noch nichts gefunden als einige Steine, welche er bei Seite gelegt hatte. Bei der letzten Furche jedoch, welche er umwendete, fand er eine überaus große Kröte. Er steckte dieselbe in seine Tasche, dann spannte er die Pferde aus und fuhr nach Hause.

Als er dort angekommen war, fragte die Frau, ob er etwas mitbringe: „Ja“, sagte Hans, „ich bringe eine Kröte mit.“ Die Frau nahm dieselbe. Als es Abend geworden war, setzten sich alle drei an den Tisch, um Abendbrot zu essen. Hans tat dabei sehr schläfrig. Nachdem sie mit dem Essen fertig waren, legte sich Hans auf die Ofenbank. Nach kurzer Zeit tat er so, als ob er fest eingeschlafen sei.

Er schnarchte, dass es in der Stube nur so schallte. Da hörte er die Tochter sagen: „Der Hans schläft am Ende doch nicht, wir wollen ihn mit Nadeln stechen.“ Die Frauen taten es so, aber Hans rührte sich nicht. Darauf nahm die Bauernfrau ihre Kröte, legte dieselbe in einen Tiegel und schmorte sie. Dann bestrich sie jede der Frauen mit dem Krötenfett, nahm einen Besen, setzte rücklings darauf und sprach:

„Fahre aus, fahre ein,
Stoss nirgends darein.“

Husch, fuhren sie zum Kamin hinaus. Der Hans, welcher nicht geschlafen hatte, sprach jetzt zu sich: „Du willst da auch nachfahren.“ Er bestrich sich gleichfalls mit dem Krötenfett und setzte sich auch rücklings auf einen alten Besen. Darauf sprach er den Spruch. Er sagte aber die Worte verkehrt her, so dass er beim Ausfahren überall anstieß und den Schornstein fast einriss.

Aber endlich kam er doch glücklich zu dem Platz, auf welchem die Hexen tanzten. Dort hörte eine schauerliche Musik. Die Frauen bekamen den Hans gleich zu sehen, nahmen ihn in die Mitte und tanzten mit ihm tüchtig darauf los. Als die Geisterstunde um war, machten sie sich alle auf, um nach Hause zu reiten; Hans bekam zu diesem Zweck einen großen Bock.

Die Bauernfrau sprach zu ihm: „Besteige den Bock und reite heim, aber hüte dich, dass du unterwegs nicht fluchst, sonst geht es dir schlecht.“ Hans setzte sich auf den Bock. Husch, ging es auf und davon durch die Lüfte. Unterwegs kam Hans mit seinem Bock an einem breiten Wassergraben. Als der Bock etwa in der Mitte über den Graben war, verlor Hans bei einem heftigen Ruck seines Bockes die Mütze. Da rief er ärgerlich aus: „Schwerenoth, das war ein Ruck!“ Plumps lag er im Wasser und kam nicht wieder zum Vorschein.

Quelle: Edmund Veckenstedt: Wendische Sagen, Märchen und abergläubische Gebräuche. Leuschner & Lubensky, Graz 1880