<<< vorherige Sage | XXIII. Die Hexen | nächste Sage >>>

Die Hexen in der Windmühle

  bei Vetschau

Es war einmal ein Windmüller, bei dem waren alle Müllergesellen, wenn sie nur eine Nacht auf dem Windbock zubrachten, den andern Morgen todt. Als sich das stets wiederholte, nahm der Müller keine Gesellen mehr an und besorgte seine Mühle allein.

Einst kam ein hübscher Müllergesell zu ihm und fragte nach Arbeit. Da sprach der Meister: „Ich wollte Euch gern hier behalten, aber in meiner Mühle ist es nicht recht richtig, dort sind alle Gesellen umgekommen, wenn sie auch nur eine Nacht oben gewesen sind.“ Da lachte der Gesell dazu und sprach: „Ich will bei Euch bleiben, ich will mit dem Spuk schon fertig werden.“ Der Müller gab dem Gesellen zu essen und führte ihn dann auf die Mühle. Der Gesell machte sich an die Arbeit; der Müller sah, dass derselbe sehr brauchbar sei. Darauf entfernte er sich.

Als es Abends neun Uhr war, trug der Müller dem Gesellen das Abendessen hinauf. Er freute sich, den Gesellen so munter zu finden, blieb noch eine Weile bei ihm und ging dann nach seiner Wohnung, um zu schlafen. Der Gesell setzte sich hin und las in einem Buche. Als der Wächter im Dorfe elf blies, suchte er sich ein Beil hervor, das legte er neben sich, dann machte er einen Kreis um den Stuhl, auf welchem er sass, und sprach etliche Zaubersprüche dabei.

Es mochte ungefähr zwölf Uhr sein, als mit einem Male ein Gepolter in der Mühle entstand: plötzlich sprangen zwei bunte Katzen auf den Mehlkasten. Dort spielten sie eine ganze Weile. Der Müllergesell suchte sie an sich zu locken, indem er „Mieze, Mieze“ rief, aber die Katzen kamen nicht. Er rief jedoch wieder: „Mieze, Mieze.“ Endlich näherte sich eine von den Katzen dem Kreise. Der Gesell griff heimlich nach seinem Beil. Plötzlich erfasste er eine Pfote der Katze und zog das Thier bis in den Kreis hinein. Schnell schlug er mit dem Beile zu und traf die Katze so, dass er ihr eine Pfote abhieb, welche in den Kreis fiel. Er steckte die abgehauene Pfote in die Rocktasche. Sogleich verschwanden die Katzen. Darauf legte er sich ruhig zu Bett.

Am andern Morgen stand er schon sehr früh auf und ging in das Dorf, um bei dem Müller Kaffee zu trinken. Der Müller freute sich, als er den Gesellen kommen sah. Er fragte ihn, was er wolle. Der Gesell sagte: „Essen, denn ich bin sehr hungrig.“ Darauf erzählte er dem Müller sein Abenteuer. Der Müller sagte, er wolle das Essen bestellen, was er auch that, aber das Essen kam nicht. Als der Gesell nach einiger Zeit wieder davon sprach, sagte der Müller, er müsse noch etwas warten, seine Frau sei in der Nacht krank geworden, er wolle ihm das Frühstück selbst bereiten. Darauf langte der Müllergesell in die Rocktasche und brachte eine Menschenhand mit einem blanken Ring zum Vorschein. Erstaunt besah sich der Müller dieselbe und rief: „Das ist ja die Hand meiner Frau.“ Er lief eilig mit dem Gesellen zu dem Bett seiner Frau und richtig, es fand sich, dass derselben die Hand abgehauen war. Die Frau bekannte jetzt, dass sie und die Pfarrerin Hexen seien. Beide hätten, erzählte sie, allnächtlich in der Mühle ihr Wesen getrieben.

Quelle: Edmund Veckenstedt: Wendische Sagen, Märchen und abergläubische Gebräuche. Leuschner & Lubensky, Graz 1880