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Das sechste und siebente Buch Mosis

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  S. Eisel a. a. O. Nr. 522. 585. Greß a. a. O. S. 48 fgg.

Das Eichhornsche Haus in Tautenhain ist ein gefeites Haus, da geht seit undenklichen Zeiten bei Tag und Nacht eine schwarze Katze um, Niemand kann sich erinnern, daß sie je von irgend wem gefüttert worden sei, aber da sie Niemandem etwas zu Leide thut, so läßt man sie gehen.

Nun sollte aber in demselben Hause auch das 6. und 7. Buch Mosis zu finden sein, ein Zauberbuch, von dem man glaubt, daß dem, der es zu lesen verstehe, alle Schätze der Welt, der Stein der Weisen etc. zu Theil würden. Man wußte aber auch, daß wer es unrecht damit anfängt, unglücklich dabei wird, deshalb hielt man den Besitz desselben durchaus für kein Glück, man fürchtete im Gegentheil, daß es dem Dorfe Unglück bringe.

Einem armen Schneider, der darum nachsuchte, das Buch ansehen zu dürfen, wollte es der Besitzer deshalb durchaus nicht gestatten. Endlich gab er ihm aber doch eine Laterne und ließ ihn in den Keller, wo das Buch sich befand, hinabsteigen. Unser Schneider nahm dort Platz auf einem Lehnstuhle und begann sogleich zu lesen. Aber es rauschte und sauste um ihn ganz greulich herum; aus dem Buche stoben Eulen und Raben heraus, und Geisteraugen blickten ihn dabei aus allen Ecken an; ja zuletzt wußte er gar nicht einmal mehr, was er las. Wie nun seine Angst zum Höchsten gestiegen war, begann er endlich rückwärts zu lesen, worauf sich Alles wieder ins Buch hinein verkroch und er nur froh war, mit dem Leben davon- und wieder herauf zu kommen. Siehe da stand das ganze Dorf versammelt, denn zwölf Stunden war er ausgewesen, da es ihm doch kaum eine gedäucht hatte. Einige alte Leute meinten zu seinem Abenteuer, er sei dem Ziele ganz nahe gewesen und in wenig Minuten hätte er das Zauberwort finden müssen. Aber der Schneider, den nun seine Angst um Reichthum und Glück gebracht hatte, ist trotzdem nicht wieder hinabgegangen.

Nach einer andern Sage wäre das Buch unter dem Ofen, zwischen den Saugruben, in einer entlegenen Kammer (hier an Ketten liegend etc.) eingemauert und sei vom Teufel selbst bei Nacht und Nebel dorthin gebracht worden. Andere nennen es aber Faust’s Höllenzwang. Einmal als der Hausbesitzer bauliche Veränderungen vornahm, kam das Buch dabei zum Vorschein und wurde von ihm verkauft oder verschenkt. Von Stund’ an aber war’s um seinen Schlaf geschehen, es warf ihn jede Nacht aus dem Bette und nur eins blieb ihm übrig, das Buch wieder an seine alte Stelle zu bringen, wo es noch ist. Ueberhaupt darf weder am Ofen noch am Hause, so hinfällig beide seit Jahrhunderten schon sind, ohne doch einzufallen, etwas verändert werden, und schon das Umsetzen des Ofens rächte sich einst dadurch, daß unzählige Mäuse, Krähen und Dohlen aus ihm herausfuhren. Auch darf, soll Alles wohl gehen, im ganzen Hause nicht geflucht werden, so wie es schließlich für die Hausbewohner nicht gerathen ist, nur mit einer Silbe des Buches zu gedenken. Einmal fing ein Besen, der in der Stube lag, darüber zu tanzen an und machte die tollsten Sprünge, zwei Mädchen aber, die darüber spotteten, zerbläute er den Rücken dermaßen, daß sie mit Heulen und Schreien nach Hause liefen.

Quelle: Johann Georg Theodor Grässe: Der Sagenschatz des Königreichs Sachsen, Band 2. Schönfeld, Dresden 1874, Seite 351


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Eine ähnliche Geschichte ist im Bd. II. S. 59 fgg. erzählt.