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Die neun Aecker bei Eisenberg

Die nördlich von der Stadt Eisenberg oberhalb der sogenannten Weiden oder Schneckenmühle liegenden Felder werden die neun Aecker (fälschlich auch die neuen Aecker) genannt. Die Ursache dieses Namens ist aber folgende.

Einst hatte in der Stadt Eisenberg ein Ehemann mit einer Jungfrau Ehebruch getrieben und da dies zu einer Zeit stattfand, wo man diese Handlung noch mit dem Tode der Schuldigen zu bestrafen pflegte, so nahm die strafende Gerechtigkeit das Frauenzimmer gefangen, den eigentlichen Verbrecher konnte sie nicht fassen, er war bereits auf und davon gegangen. Wie es damals zu geschehen pflegte, so fackelte man nicht lange, die Schuldige, welche Alles gestanden hatte, ward zum Tode durch das Schwert verurtheilt und auf jenen Feldern nahe bei der Stadt, oberhalb der Schneckenmühle das Schaffot errichtet. Der Scharfrichter aber sollte an der Delinquentin sein Meisterstück machen. Nun war sie aber ein sehr schönes Weibsbild und er hatte selbst Mitleid mit ihr und beschloß, keiner seiner Leute sollte ihren schönen Leib anrühren. Als er nun ihren Kopf mit einem Schlage heruntergeschlagen hatte, nahm er sogleich ein Stück grünen Rasens, deckte es, noch ehe das Blut aus den Adern strömen konnte, fest auf den Rumpf der Enthaupteten, und indem er mit starker Hand den Körper der Enthaupteten am Arme ergriff, führte er sie vom Schaffot herab bis zu dem schon angezündeten Scheiterhaufen, wo ihre Glieder verbrannt werden sollten. So schritt der blutige kopflose Leib neben dem Scharfrichter durch das aus einander stiebende Volk dahin, einen Weg von neun Aeckern Entfernung, ehe der flammende Holzstoß erreicht war, und dort stieß er ihn ins Feuer.

Die Stadt aber schenkte dem Scharfrichter als Lohn für seine kühne That den Plan, den er durchschritten hatte, und davon heißt er noch heute die neun Aecker.1)

Quelle: Johann Georg Theodor Grässe: Der Sagenschatz des Königreichs Sachsen, Band 2. Schönfeld, Dresden 1874, Seite 328; Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource (Version vom 1.8.2018)


1)
Eine ähnliche Geschichte ist oben Bd. I. Nr. 123. S. 114 von einem Dresdner Scharfrichter erzählt. Eine zweite wird aus Görlitz von mir berichtet, in meinem Sagenbuche des Preußischen Staates (Glogau 1871.) Bd. II. S. 376 fg. Nr. 319.