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Marie Sophie, Herzogin von Eisenberg als Wollespinnerin und die Quarkbemme im Schlosse zu Eisenberg

  S. Back a. a. O. S. 362 fgg.

In einer Kammer neben dem sogenannten Trompeterstübchen im herzogl. Schlosse stand bis zum J. 1805, wo die verwittwete Herzogin Amalia von Gotha das hiesige Schloß als ihren Wittwensitz bezog, ein Spinnrad alter Form, künstlich mit Elfenbein ausgelegt und mit eben solchen Glocken und glockenähnlichen kleinen Zierathen behangen, das Herzog Christian von Eisenberg, ein geschickter Drechsler, seiner zweiten Gemahlin Sophie Marie selbst gedrechselt hatte. Auf dem Gestelle lag ein Stück schwarzes Brod, mit Quark bestrichen, vom Zahn der Zeit sowie von Würmern durchnagt, aber noch ganz. Der Sage nach hatte es aber damit folgende Bewandniß.

Die Herzogin war eine sehr fleißige Hausfrau, die, wenn sie sonst nichts zu thun wußte, Wolle spann, wie viele andere Frauen damaliger Zeit. Besonderes Vergnügen machte es ihr, wenn sie bald bei dem, bald bei jenem Zeugmachermeister sich selbst Wolle holen oder das Garn hintragen konnte. Sie wählte zu diesen Gängen stets die Abendstunden und kleidete sich dann in das Gewand einer armen Bäuerin oder Bürgerin.

Eines Abends im Herbst, wo sie auch ihre Wolle aufgesponnen hatte, beschloß sie eine ähnliche Wanderung zu unternehmen, warf sich in ihre Verkleidung und verhüllt das Gesicht noch mit einem Tuche. So nahm sie ihr Päckchen mit Garn unter den Arm und verließ das Schloß. Ihr Weg ging, wie man erzählt, in die Johannisgasse zu einem Zeugmacher, Langenbach mit Namen. Die Unterstube, von einem spärlichen Lämpchen erhellt, öffnend, traf sie die Familie beim bürgerlichen, damals kärglichen Abendbrote, dessen Hauptbestandtheil, die Suppe, bereits verzehrt war. Quark und schwarzes Brod, in jener Zeit schon eine respectable Kost, nebst einem Kruge selbst gebrauten Bieres schmückten den mit einem weiß und blau gestreiften reinlichen Tuche bedeckten Tisch. Einen schüchternen guten Abend bietend und gesegnete Mahlzeit wünschend, eröffnete die Fürstin dem Meister, daß sie Garn bringe und wieder Wolle mitnehmen wolle, und wurde von diesem angewiesen, sich einstweilen auf die, nahe der Thüre stehende hölzerne Lehnbank niederzusetzen, bis er sein Quarkbrod gegessen und dann sein Tischgebet gesprochen habe. Geduldig setzte sich die Fürstin auf den ihr angewiesenen Platz und wartete, bis die Meisterin ihrem Eheherrn ins Ohr flüsterte, daß sie der armen Frau auch eine Quarkbemme streichen wolle. Der Meister genehmigte es und nun erhielt die Spinnerin das Brod mit den Worten: „da, nehmt es Euern Kindern mit, denen wird es etwas Seltnes sein!“ Freundlich dankend nahm die gute Fürstin das Brod, betete dann andächtig mit der gesättigten Familie das Tischgebet und erhielt nun ihren Lohn, nachdem der Meister sorgfältig die Zahlen gezählt und ihr Gespinnst gelobt hatte. Ihr Bündchen frische Wolle unter dem Arme wanderte sie dem Schlosse wieder zu, erzählte dem Gemahl das gehabte Abenteuer, zeigte ihm das geschenkte Quarkbrod und freute sich mit ihm in herzlicher Eintracht.

Des andern Tages wunderte sich Meister Langebach, als er aufs Schloß beschieden wurde und noch mehr, als er in der Herzogin Zimmer eingeführt, diese am Spinnrade seine Wolle spinnen und das Quarkbrod sahe, welches seine mitleidige Ehehälfte der armen Frau für ihre Kinder gegeben. Und Christian, der edle Fürst, der auch zugegen war, bewillkommnete den Meister freundlich, reichte ihm die Rechte und sprach: „seid nicht ängstlich, lieber Meister, weder ich noch mein Gemahl zürnen Euch ob Euerer Milde, wir sind Euch vielmehr wohl gewogen und wollen auch ferner, so Ihr weiter ein so frommer wackerer Meister bleibt, Euch nicht vergessen, darum sagt, was können wir für Euch thun, daß Euer Wohlstand sich hebe?“

Die Sage schweigt nun aber, auf welche Weise das edle Fürstenpaar dem Meister seine Wohlthat zugewendet hat, allein geschehen muß es sein, denn von seinen Söhnen hieß der eine der goldene, und der andere der silberne Langenbach.

Das Quarkbrod aber blieb zum immerwährenden Andenken auf dem Spinnrade liegen, das unter dem fürstlichen Hausgeräthe im J. 1803 mit versteigert und jetzt wahrscheinlich längst zerfallen und als unnütz auf die Seite geschafft worden ist.

Quelle: Johann Georg Theodor Grässe: Der Sagenschatz des Königreichs Sachsen, Band 2. Schönfeld, Dresden 1874, Seite 323; Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource (Version vom 1.8.2018)