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Die Teufelskanzel in der Schloßkirche zu Schloß Chemnitz

  Mitgetheilt von Julius Schanz.

Nicht weit von der Stadt Chemnitz liegt hart am Rande des dunklen mit Nadelholz bewachsenen Küchenwaldes ein altes leidlich erhaltenes Schloß. Es ist im gothischen Style gebaut und zeichnet sich besonders durch die Schloßkirche aus, deren prächtiges Portal von der Kunst der Vorfahren deutlichen Beweis liefert. Das Schloß selbst war früher ein Kloster, das wegen der Sittenverderbniß seiner Mönche im ganzen Lande weit und breit verrufen war. Mit der Erbauung des Schlosses war aber der Teufel keineswegs zufrieden. Er beschloß daher ein ewiges Zeichen seiner Mißbilligung der Mit- und Nachwelt zu hinterlassen. Kaum war die Kirche des neuen Mönchsklosters vollendet, als er in einer Nacht die Treppen herauf schritt und dem Altare und der Kanzel gegenüber noch eine Kanzel zu bauen begann. Rasch, mit höhnischem Lächeln vollendete er seine Arbeit. Um aber den Mißmuth der Brüder zu vergrößern, vermauerte er die Kanzel, damit Niemand sie betreten und benutzen könnte. Der Tag begann zu dämmern, als er mit seiner Arbeit zu Stande gekommen war, und er ging, nun seinen Heimweg anzutreten. Zuvor aber trabte er in das Schiff der Kirche, beschaute sich sein Werk und befand es für gut. Dann entfernte er sich eiligst. Am Morgen aber, als die Brüder zu beten kamen, erstaunten sie nicht wenig über die neue Kanzel und stiegen die Treppe aufwärts, um zur Kanzel zu gelangen. Siehe, sie war vermauert. Voll Entsetzen fanden sie aber auch die Spur eines eingedrückten Pferdehufes. Sogleich erkannten sie den Schöpfer dieses Werkes und zugleich seinen bösen Willen.

Noch jetzt sieht man die Kanzel unbeschädigt und kennt sie in der ganzen Gegend unter dem Namen der Teufelskanzel1).

Quelle: Johann Georg Theodor Grässe: Der Sagenschatz des Königreichs Sachsen, Band 1. Schönfeld, Dresden 1874, Seite 492


1)
In derselben Kirche befindet sich auch eine Geisselung Christi, sehr schön aus einem Eichenstamm geschnitzt, der in der Kirche selbst gewachsen sein soll, und über demselben zeigt man in der Mauer eine bogenförmige Vertiefung, das sogenannte Fegefeuer, worin sich immer ein Sausen vernehmen läßt. Mitten in der Kirche zeigen verschiedene feuchte, nie wegzuwischende Flecke eine menschliche Figur an: dort fiel einst bei einer theatralisch-religiösen Aufführung ein Mönch von der Decke herab. (s. Schumann, Lex. v. Sachsen Bd. IV. S. 551.)